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Sozialbau-Chef Herbert Ludl: Am Rande einer Wohnungsnot

Eine drohende Wohnungnot, ein scheinbar gescheitertes Konzept Aspern und die Wohnbaupolitik in Österreich: Sozialbau-Chef Herbert Ludl stand der immonet.at-Redaktion ausführlich Rede und Antwort.

Immer wieder ist von einem notwendigen sozialen und ethnischen Mix im Wohnbau die Rede. Worauf kommt es Ihrer Meinung nach an?
Herbert Ludl: Da muss gar nichts Neues erfunden werden. Das ist schon bei den Wohnbauten der Sozialbau zu sehen: Da wohnt die Bedienerin neben dem Bankangestellten – seit Jahrzehnten ohne Probleme. Die Herausforderung ist es jetzt das in unsere heutige Zeit zu übersetzen, in der die Bedienerin halt aus der Türkei stammt. Leider wird das unter anderem von einigen Medien konterkariert. Zum Beispiel hat sich letztens ein Journalist darüber empört, dass die Wohnhäuser der Sozialbau eine hochwertigere Wohnqualität bieten als so manche freifinanzierte und somit teure Eigentumswohnung in Döbling.


Aber eine verständliche Argumentation, oder?
Ludl: Ich habe nichts gegen die Argumentation. Ich finde die dahinterstehende Hierarchie witzig. Zu sagen, das darf nicht sein. Dass ein Mensch dort zu wohnen hat, wo er hingehört. Diese Hierarchie ist die Herausforderung: Nicht nur die Fremdenfeindlichkeit, sondern diese Einteilung der Menschen.


Sozialer Mix für einen Sozialen Frieden?
Ludl: Genau. Auch bei uns sind Ansätze wie in den USA oder Frankreich zu erkennen. Aber bei uns sagt – Gott sei Dank – niemand, dass nur eine Wohnungstypologie errichtet werden darf. Für kleinere Einkommen immer kleinere Wohnungen zu bauen, ist der falsche Ansatz. Es braucht eine gute soziale Durchmischung, das heißt auch in Hinblick auf Wohngrößen, Wohntypologie, und auch einer gescheiten Mischung aus Objekt- und Subjektfördermaßnahmen. Das ist jetzt sehr locker gesagt und eine sehr komplexe Geschichte, aber es funktioniert und es hat auch funktioniert.


Wird es das auch weiterhin – trotz Sparkurs? Oder bedeutet künftig „günstig wohnen“ „billig gebaut“?
Ludl: Das hängt von den handelnden Institutionen und Personen ab. Für uns kann ich sagen: Wir werden von der Qualität nicht abgehen. Schon alleine weil ich zufriedene Mitglieder will und selbst in 50 Jahren noch vermieten möchte. Verbesserungen sind aber begrenzt. Und eins ist jedenfalls klar: Wir werden uns das Passivhaus oder das energieproduzierende Wohnhaus zu Lasten der Bewohner und zur Begünstigung des Klimaschutzes nicht leisten können. Das Gleiche gilt für die Garagen. Altes Thema, wir bauen für jedes Auto einen Abstellplatz. Warum machen wir das? Nur 40 Prozent der Wiener haben ein Auto, und es werden immer weniger.

Sie selbst sind SP-Funktionär. Genossenschaften sagt man politische Nähe nach. Gibt es eine politische Einflussnahme?
Ludl: Politische Nähe gibt es in der ganzen gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, weil kein vernünftiger Mensch so investiert und ein solches Unternehmen gegründet hätte. Der Gründungsgang war ja schon politisch – mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ideologie: Was bauen sie, wie bauen sie es, wie gehen sie mit den Leuten um? Aber politischen Einfluss über das hinaus gibt es nicht. Der Faymann Werner (Bundeskanzler, Anm.d.Red.) kann mir gar nichts anschaffen, dem wünsch ich viel Glück. Der probiert es auch gar nicht. Aber wenn Faymann was Gescheites macht, werde ich ihm sicherlich helfen und beraten und werde ihn über den grünen Klee loben.

Es funktioniert aber natürlich in einem übertragenen Sinn: Ich habe kein Problem in meinen Genossenschaftsversammlungen den Leuten zu erklären, dass unsere Wohnhäuser Anlagen mit gemischtes Publikum sind. Da hätte ich wahrscheinlich in einer anderen Rechtsform Schwierigkeiten, und ich hätte vor allem ökonomische Schwierigkeiten. Die Effizienzfrage stellt sich schon natürlich auch: Am Schluss muss ich ein positives Ergebnis haben. Manchmal kommt aber natürlich die Frage: Kannst nicht ein bisschen weniger Gewinn machen? Und baust nicht lieber dort was. Wir verhalten uns wahrscheinlich ein bisschen anders als andere, aber es gibt nicht die unmittelbare Befehlskette.

Aber grundsätzlich gilt dieselbe Ideologie. Dasselbe Ziel, auch wohnpolitisch.
Ludl: Aber auch das ist ein Geben und ein Nehmen. Es ist nicht so, dass der Ludwig Michael (Wohnbau-Stadtrat, Anm.d.Red.) mir was gibt und nichts dafür kriegt. Und es ist nicht so, dass ich nichts gebe und nichts will.

Wie ist das zum Beispiel bei Aspern? Gibt´s da ein politisches Agreement?
Ludl: Natürlich. Klar ist, dass wir am Rande einer Wohnungsnot stehen. Auf der einen Seite gibt es Wohnungssuchende, aber kein Angebot - und schon gar keine leistbaren Wohnungen. Auf der anderen Seite haben wir ein Entwicklungsgebiet samt U-Bahn-Trasse. Jetzt wird plötzlich überall gespart. Als Genossenschaften haben wir kein Problem gehabt, da trotzdem gemeinsam etwas zusammen zu bringen. Aber: Wir haben schon auch unsere Grenzen. Und die waren für manche heftig: Verzicht auf Bauträger-Wettbewerbe, Verzicht auf Qualitätskriterien, die sich manche eingebildet haben. Jedes Haus in Aspern hätte ja Strom liefern sollen. Das spielt´s halt nicht, wenn kein Geld da ist. Wir werden dort auch keine Garagen bauen. Also, das ist nicht nur so, dass Ludwig Ludl anruft und sagt: Bau dort Wohnungen. Es war eine Kooperation.



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Datum: 10.09.2012

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