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Sozialbau-Chef Herbert Ludl: Das wird noch ekelhaft

Der Sparkurs der Wohnbaupolitik, die Öffnung der Genossenschaften für hohere Einkommen und ein Engangement der Sozialbau im freifinanzierten Wohnbau: Sozialbau-Chef Herbert Ludl im immonet.at-Interview.



Geringere Wohnbau-Fördermittel: Wie soll das weitergehen? Wünschen Sie sich vielleicht eine radikalere Bevorzugung des mehrgeschossigen Wohnbaus?
Ludl: Für mich ist es überhaupt keine Frage, dass man über die Gewichtung nachdenken wird müssen. Gewichtung bei Miete und Eigentum, Gewichtung bei Einfamilienhaus und Mehrgeschoss-Wohnbau. Aber auch eine Verhüttung muss berücksichtigt werden. Ich glaube nicht, dass man die aktuelle Problematik mit Radikalität löst, ich fürchte eher die Radikalität der Mittelkürzungen. Ich wäre schon froh, wenn wir eine Zweckbildung hätten, der Mittel die wir nicht mehr haben. Ich wäre schon froh, wenn die Inflation abgegolten werden würde. Aber es wird natürlich zu einem Umdenken kommen, vielleicht auch radikal, aber zu einem Umdenken der leeren Kassen. Ich sehe halt viel stärker die Radikalität der Großstädte, eine Wohnungsnot nicht nur in Wien, sondern auch in Graz, Salzburg, Linz. Das wird noch ganz ekelhaft…


Wie kann da gegengesteuert werden?
Ludl: Da gibt es nur eine einzige Möglichkeit, die leider nicht sofort wirkt: Bauen, Bauen, Bauen. Wenn es eine solche Nachfrage gibt, dann kannst du nur das Angebot erhöhen.Dass wir in den letzten zwei Jahren im freien Bereich acht Prozent Mieterhöhungen gehabt haben, das ist doch ein Warnzeichen. Das ist nicht nur die Flucht der Leute in die Immobilie, sondern das ist auch die Not die Manche zwingt vielmehr zu zahlen als sie eigentlich bereit wären - oder vielleicht sogar können. Die einzige Möglichkeit wäre die Bauziffern deutlich zu erhöhen, überall dort, wo das so ist.

Ja aber wie finanziert man das?

Ludl: Schau, in einer Gesellschaft hast du immer einen Verteilungskampf: mehr Polizisten oder mehr Wohnungen, mehr Krankenhäuser oder mehr Schulen. Das ist jetzt nicht mein Geschäft, da muss die politische Welt überlegen wie sie tut. Ich kann nur aus meiner Sicht sagen: Jeder Euro, den wir heute in den Wohnbau investieren bringt Baumaßnahmen und 1,6 Euro Steuereinahmen. Das Verrückte an dieser Sparideologie ist ja auch, dass ich spare und damit am Schluss weniger habe, als ich vorher gehabt hab. Ein Beispiel: Maria Theresia hat in einer ähnlichen Phase in Prag rund um den Nachbau des Eifelturms eine Mauer errichten lassen. Die steht heute noch. Es ist eine der sinnlosesten Mauer überhaupt. Aber zur damaligen Zeit war es eine vernünftige Maßnahme zur Arbeitsplatzschaffung.Jetzt sage ich: In einer Zeit der Wohnungsnot ein Wohnhaus zu errichten, kann ja nicht blöder sein als diese Mauer.


Zurückzukommen auf die bereits angesprochenen Gebäudestandards: Geben Sie der EU-Gebäude-Richtlinie in der gegenwärtigen Situation Chancen?
Ludl: Die EU-Gebäuderichtlinie werden wir, weil wir Österreicher Vorzugschüler sind und alles um drei Jahre früher machen als alle anderen, einhalten. Die Franzosen und die Spaniern, die pfeifen sich die nächsten 100 Jahre nicht um diese Richtlinie.


Abseits des Sozialen Mix in einem Wohnbau ist auch die Frage, wer ein Anrecht auf eine gemeinnützige Wohnung hat, eine immer wiederkehrende Diskussion. Wie sehen Sie die Balance zwischen Leistbarkeit und Einkommensgrenze?
Ludl: In Wien wurde kritisiert, dass die Einkommensgrenze erhöht wurden. Ich habe das eigentlich für sehr vernünftig gehalten und ich glaube auch, dass sich das in einem vernünftigen Maß weiterentwickeln wird. Man sollte keine Gettos schaffen. Wir sollten keine Häuser haben, in denen nur Einkommensschwache wohnen dürfen. Dazu brauchst es höhere Einkommensgrenzen.


Also rauf mit den Einkommensgrenzen – zugunsten eines ausgewogenen sozialen Mix?

Ludl: Ich bin sehr dafür. Ich hab die Diskussion nie verstanden, die vor allem von der Arbeiterkammer geführt wurde: "Schrecklich welche Leute mit welchen Einkommen in die Bauten hinein dürfen." Ich find es vernünftig, ich muss beide Seiten treffen: Für den einen muss es sozial vertretbar sein, dass ihn nicht die ganze Familie auslacht wenn er dort einzieht. Für den anderen muss es finanziell machbar sein.

Das Firmendiagramm der Sozialbau (Grafik) ist recht komplex.
Ludl: Das hat alles seine Logik. Wir sind ein Unternehmen, das Jahr zu Jahr wächst. Ein Grund ist ein negativer: Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ist ein Versteinerungsgesetz. Jede andere Branche hat Strukturverbesserungsgesetze gehabt, wo in bestimmter Weise Fusionen oder Zusammenarbeit oder ähnliches steuerlich erleichtert wurde. In unserer Rechtslage ist es praktisch unmöglich Strukturen zu bereinigen. Es ist überhaupt nicht andenkbar zwei Unternehmen zu fusionieren, denn das würde steuerlich teuer werden. Daher die ganzen Tochterunternehmen, die kann fusioniert werden können. Die zweite Seite ist, dass wir uns entwickeln. Das wir Antworten auf Entwicklungen geben müssen. Es sind Tochtergesellschaften gegründet worden, etwa für Stadtentwicklungen oder Stadterneuerungen, da ist das Geschäft nicht so toll gelaufen, aber da sind sie nun. Und der dritte Grund ist, dass es mit der letzten Wohnrechtsnovelle möglich geworden ist, gewerbliche Unternehmen zu gründen, die voll versteuert sind und sich im gewerblichen Bereich umtun. Das waren dann die restlichen Firmen, die man gegründet hat. Wir sind etwa die Einzigen, die unseren Bewohnern eine eigene Fernsehversorgung anbieten. Das war für uns vernünftig, geht aber nur, wenn du diese Anlagen errichtest und 24 Stunden servicierst. Es gibt nichts Schlimmeres für einen Österreicher als wenn das Fernsehen in der Nacht streikt.
Es bedeutet natürlich auch, dass wenn die Förderung weiter so schwächelt, wir uns auch im freifinanzierten Bereich mehr etablieren müssen - und das mache ich nicht als Gemeinnütziger. Ich bin doch nicht verrückt. Warum sollte ich mich als Gemeinnütziger für freifinanzierten Wohnbau in Döbling mit allen anderen in den Wettbewerb begeben? Ich reiß mich nicht darum, aber wenn die Welt so ist, dann sollen sich die anderen fürchten.

Wie schaut das dann in Hinblick auf Kostendeckung aus?
Ludl: Das ist ja dann eine andere, voll steuerpflichtige Firma, die alle Spielregeln am Markt einhalten muss. Die Kostendeckung spielt es dort nicht.

AutorIn:
Datum: 06.09.2012

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