© European Union, 2015/Photo: Lieven Creemers

Erneuerbare Energien: Vorreiterrolle Europas in Gefahr?

Im ersten Bericht über die Lage der Energieunion zeigt sich zwar, dass die EU auf dem richtigen Weg ist. Die Vorreiterrolle in Fragen erneuerbare Energien könnten aber schon bald China oder die USA übernehmen. Während dort die Investitionen in den Sektor steigen, haben sich jene in Europa im vergangenen Jahr halbiert.

Über die Ergebnisse im ersten "Bericht über die Lage der Energieunion", die EU-Kommissions-Vizepräsident Maroš Šefčovič kürzlich präsentiert hat, zeigt sich der Politiker zufrieden: "Nach neun Monaten lässt sich mit Zuversicht sagen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um die Energieunion Realität werden zu lassen. Meine Botschaften für 2016 sind klar: Erstens sollte die EU weiterhin eine Vorreiterrolle beim Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft einnehmen. Zweitens sollte dieser Übergang sozial gerecht und verbraucherorientiert vonstattengehen. Und drittens werden die geopolitischen Herausforderungen, mit denen wir in diesem Jahr konfrontiert waren, auch weiterhin bestehen. 2016 wird auch das Jahr sein, in dem wir die Grundlagen für ein solides Steuerungssystem legen werden, das die für Investoren erforderliche Vorhersehbarkeit und Transparenz schafft. Kurzum: 2016 wird ein Jahr der Ergebnisse sein!“

Regionale Kooperationen vernachlässigt?

Die Energieunion wird auch von Österreichs E-Wirtschaft begrüßt und als "wichtiger Meilenstein der europäischen Energiepolitik" betrachtet, könne jedoch viele aktuelle Fragen nicht klären. "Die Energieunion mit ihren fünf Dimensionen Dekarbonisierung, Energieeffizienz, Binnenmarkt, Energiesicherheit und Forschung ist ein richtiges und ehrgeiziges Projekt dem man nur zustimmen kann“, erklärt Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie.

Trotzdem: Seitens der österreichischen E-Wirtschaft erhofft man sich von der EU auch Impulse und Unterstützung insbesondere zur Erhaltung der gemeinsamen Preiszone für Strom zwischen Österreich und Deutschland. Schmidt: „Natürlich müssen jetzt die Weichen für die Zukunft bis 2030 rasch und entschlossen gestellt werden, das darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass aktuell die Entwicklung genau in die Gegenrichtung zu gehen droht.“ Oesterreichs Energie appelliert daher an alle Verantwortlichen, auch die EU-Kommission, sich für die Erhaltung der Preiszone einzusetzen. Schmidt: „Zukunftskonzepte können nur zur Wirkung gebracht werden, wenn sie stärker miteinander abgestimmt sind. Die Zukunft gehört daher regionaler und auch überregionaler Kooperation gegenüber nationalen Alleingängen.“

Investitionen in Europa halbiert

Auch der aktuelle „Faktencheck Energiewende 2015“, veröffentlicht von Klima- und Energiefonds und Erneuerbare Energie, zeigt, dass die Energiepolitik der vergangenen Jahre greift und markiert einen historischen Wendepunkt: Erstmals wird global mehr Geld in erneuerbare Energie investiert als in fossile und nukleare zusammengenommen. Aktuelle Zahlen zeigen außerdem: Player wie China oder die USA investieren stark in den Bereich erneuerbare Energien und deren Technologieentwicklung und spielen eine immer größere Rolle auf dem Weltmarkt. China zählt zum Beispiel weltweit zu den größten CO2-Emittenten, gleichzeitig aber mit 115,3 GW installierter Leistung zu den internationalen Spitzenreitern in der Nutzung von Windenergie. Während sich die jährlichen Investitionen in saubere Energie in China im Vergleich zu 2011 verdoppelt haben (laut aktuellen Daten von Bloomberg New Energy Finance lagen sie in den vergangenen zwölf Monaten bei rund 86 Milliarden US-Dollar), haben sie sich in Europa mehr als halbiert (von weit mehr als 100 Milliarden US-Dollar auf 46 Milliarden US-Dollar). Europa ist also nicht mehr allein Taktgeber punkto Klimaschutzmaßnahmen.

Unter Zugzwang, so Schmidt, setzt das ehrgeizige EU-Projekt die Mitgliedsländer auf jeden Fall, wenn es darum geht, bis 2018 tragfähige Energiestrategien zu erstellen. Diese Strategien müssen für jede der fünf Dimensionen der Energieunion und bezüglich der 2030-Ziele, die es noch in Paris im globalen Maßstab zu verankern gilt, zielführende Wege aufzeigen. Schmidt: „Oesterreichs Energie hat mit der im November präsentierten Stromstrategie schon zukunftsfähige Konzepte vorgestellt und wird diese in den kommenden Wochen und Monaten in die Diskussion einbringen und detaillierte Maßnahmenvorschläge unterbreiten.“

Energieunion bedeutet insbesondere Folgendes:

  • Solidaritätsklausel: Verringerung der Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten und Möglichkeit der alleinigen Versorgung durch die Nachbarn, insbesondere im Falle von Störungen der Energieversorgung. Mehr Transparenz, wenn EU-Länder Verträge über den Einkauf von Energie oder Gas mit Drittländern schließen;
  • Energieflüsse, als wären sie eine fünfte Freiheit: der grenzübergreifende freie Fluss der Energie – die strenge Durchsetzung der geltenden Vorschriften in Bereichen wie Entflechtung und Unabhängigkeit der Regulierer, erforderlichenfalls unter Anwendung rechtlicher Schritte. Die Neugestaltung des Strommarkts mit stärkerem Verbund, mehr erneuerbaren Energien und größerer Bedarfsorientierung. Gründliche Überprüfung staatlicher Eingriffe auf dem Binnenmarkt und Abbau von Subventionen, die der Umwelt schaden.
  • Vorrang für Energieeffizienz: Energieeffizienz grundlegend überdenken und als eigenständige Energiequelle behandeln, damit sie gleichberechtigt mit Erzeugungskapazität konkurrieren kann.
  • Übergang auf eine dauerhaft CO2-arme Gesellschaft: Sicherstellung, dass vor Ort erzeugte Energie – auch aus erneuerbaren Quellen – einfach und effizient in das Netz eingespeist werden kann; Förderung der technischen Vorreiterrolle der EU durch Entwicklung der nächsten Generation der Technologien für erneuerbare Energien und Erringen einer Spitzenstellung bei der Elektromobilität, während europäische Unternehmen die Ausfuhren steigern und weltweit in Wettbewerb zu treten.

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Archivmeldung: 25.11.2015

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