Projekt Heumarkt: Wien hat rote Laterne
Was die längste Zeit vermutet und auch befürchtet wurde, ist eingetreten. Das UNESCO-Komitee, das derzeit im polnischen Krakau tagt, setzt das historische Zentrum der österreichischen Bundeshauptstadt auf die Gefährdungsliste. Dass der Weltkulturerbestatus wackelt, hänge laut Gremium an der derzeit stattfindenden „massiven städtebaulichen Entwicklung“. Vor allem aufgrund des Projekts Heumarkt mit seinem geplanten 66 Meter hohen Wohnturm sieht man bei der UNESCO derzeit rot.
Um die drohende Aberkennung doch noch abwenden zu können, müssten laut Komitee bis zur UNESCO-Sitzung im kommenden Februar die Bedenken gänzlich ausgeräumt – und das einst als listenwürdig empfundene Stadtbild abgesichert, wenn nicht wiederhergestellt sein. Nachdem Anfang Juni der Gemeindeamt nach heftigen Debatten, bei denen auch viel politisches Kleingeld gewechselt wurde, die Flächenwidmung für die aktuelle Projektplanung beim Heumarkt (obere Bildmitte) schlussendlich doch beschlossenen hat, scheint dies aber illusorisch.
Eschig: „Blamable Entscheidung“
Gabriele Eschig, Generalsekretärin der österreichischen UNESCO-Kommission, sprach nach dem Bekanntwerden der Entscheidung von einer "blamablen“ Eintragung, die dem Kulturland Österreich und vor allem Wien schade. Und weiter: „Es zeigt die fehlende Wertschätzung für das selbst ausgewählte Welterbegebiet und auch das Unverständnis für die Bedeutung des Welterbes. Es geht beim Welterbestatus nicht um ein Tourismusranking oder ein Etikett für die touristische Vermarktung, sondern um den langfristigen Erhalt einer außergewöhnlichen Stätte für die Menschheit, für zukünftige Generationen."
Stadt Wien wiegelt ab
Im Büro der Vizebürgermeisterin kann man die rote Karte nicht nachvollziehen. So heißt es, dass die Stadt Wien auf die Entscheidung des Welterbekomitees vom vergangenen Jahr reagiert habe. Auch das Projekt sei mittlerweile vom Entwickler überarbeitet worden. „Sowohl die Höhe als auch die Dimension des Turms wurden reduziert. Dazu kommt, dass das Projekt an einem bestehenden Hochhausstandort in der Stadt und sich in unmittelbarer Nähe von höheren Gebäuden befindet, die vom Welterbekomitee in früheren Sitzungen akzeptiert wurden.“ Diese Umstände, so die offizielle Stellungnahme, sei im Zuge der nunmehrigen Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Nach dem Spruch der UNESCO hat die Stadt Wien jetzt bis 1. Februar 2018 Zeit, einen Bericht über den Erhaltungszustand der Welterbestätte und die Umsetzung eine Welterbe-Verträglichkeitsprüfung – im Rahmen eines sogenannten Heritage Impact Assessments – für den Karlsplatz vorzulegen. Die eingereichten Unterlagen werden im Rahmen der 42. Sitzung der UNESCO im nächsten Jahr neu bewertet.
(Noch-)Weltkulturerbe Wien – Innere Stadt
Der Großteil der Inneren Stadt ist seit Dezember 2001 auf der Liste des weltweiten Kulturerbes. Als schützenswert eingestuft wird das rund tausendjährige architektonische Erbe im historischen Zentrum; aufgeteilt in eine Kernzone mit knapp vier Quadratkilometern Fläche und in eine etwas größere Pufferzone (4,6 Quadratkilometer). Auf der Liste sind damit – noch! – knapp zwei Prozent der Stadtfläche.