Panoramabild der Müllverbrennungsanlage Spittelau bei Sonnenaufgang

In der Müllverbrennungsanlage Spittelau wird aus Hausmüll Fernwärme, mit der jährlich 60 000 Wiener Haushalte versorgt werden © Wien Energie

Fernwärme: Vom Kraftwerk direkt ins Haus

Über rund 6000 Kilometer lange Leitungen fließt Fernwärme in mehr als eine Million österreichische Haushalte. Tendenz steigend. Doch was ist Fernwärme überhaupt, wo kommt die Wärme her und wer kann sie nutzen? Wir haben alle Antworten!

Mehrgeschossige Gebäude mit über 20 Wohnungen werden besonders häufig mit Fernwärme geheizt – jedes zweite von ihnen hat in Österreich einen Fernwärmenschluss. In ländlichen Regionen spricht man auch von "Nahwärme", wobei Fernwärme in Ballungsräumen häufiger verfügbar ist. Der Grund dafür: Fernwärmesysteme sind dann effizient, wenn die Distanz zwischen Wärmelieferant und Abnehmer möglichst kurz ist und so viele Wohnungen wie möglich beliefert werden, also die Abnehmerdichte hoch ist.

Wie funktioniert Fernwärme in Österreich?

Um zu verstehen, wie Fernwärme funktioniert, muss man zunächst einmal wissen, wo sie überhaupt herkommt: Erzeugt wird sie in der Regel in Heizkraftwerken, wo Erdgas oder ökologischen Brennstoffe wie Hackschnitzel verbrannt werden. Fernwärme liefern aber auch Industriebetriebe mit Hochtemperaturanlagen (z. B. Stahlproduzenten) oder Müllverbrennungsanlagen. Die dort erzeugte Wärme gelangt als ca. 90 Grad heißes Wasser in das unterirdische Rohrleitungssystem, über das die Wärme dann direkt in die Wohnhäuser mit Fernwärmeanschluss kommt.

Wie kommt die Wärme ins Haus?

Haushalte, die mit Fernwärme beliefert werden, brauchen keine eigene Heizungsanlage im Keller oder anderswo im Gebäude. Was an der Wohnadresse aber benötigt wird, ist eine Fernwärme-Übergabestation, die das Leitungsnetz und den Wärmekreislauf in den Wohnungen verbindet. Diese Übergabestation enthält einen Wärmetauscher, in dem das heiße Wasser der Fernwärme zirkuliert und mit dem das Heizungs- und Warmwasser erhitzt wird.

 

Wer kann Fernwärme nutzen?

Mit Fernwärme heizen können Sie nur dann, wenn Ihre Wohnung oder Ihr Eigenheim in einem Anschlussgebiet liegt. In Österreich gibt es rund 350 Wärmeversorgungsunternehmen, darunter befinden sich großen kommunale Versorger, aber auch kleinere privaten Anbieter. Das größte Fernwärmenetz hat Wien. Fragen Sie am besten bei Energieversorgungsunternehmen in Ihrer Region nach, ob Sie an Ihrer Wohnadresse Fernwärme bekommen können.

Eine weitere Voraussetzung, wenn Sie Fernwärme beziehen wollen, ist ein Fernwärmeanschluss. Wenn Sie keinen Anschluss haben, müssen Sie einen solchen nachrüsten bzw. bei einem Neubau gleich einbauen lassen. Installiert wird er von Ihrem Fernwärmeunternehmen, das sich auch um die Leitungsführung in das Haus und die Übergabestation kümmert. Ein neuer Anschluss ist mit viel Arbeit verbunden. Um die Rohrleitungen verlegen zu können, müssen erst Straßen aufgerissen und Künetten gebaut werden. Ein Aufwand, der sich nur dann lohnt, wenn gleich mehrere Wohnungen oder Häuser an das Fernwärmenetz angeschlossen werden.

Welche Heizung braucht man für Fernwärme?

Sie brauchen keine bestimmte Heizung, wenn Sie mit Fernwärme beliefert werden. Sie müssen Ihr altes Heizsystem nicht tauschen und können z. B. weiterhin Ihre alten Heizkörper nutzen. Wenn möglich, werden die Steigleitungen über die bestehende Infrastruktur gelegt. Haben Sie eine alte Gasetagenheizungen, wird der Fernwärmeanschluss über das Abgasrohr und den Kamin gelegt und die Gastherme durch eine Übergabestation ersetzt.

 

Wie viel kostet Fernwärme?

Gibt es eine Leitung in der Nähe Ihrer Wohnung oder Ihres Hauses, kostet ein neuer Anschluss ca. 6000 Euro. Besteht bereits ein Fernwärmanschluss und möchten Sie z. B. von Gas auf Fernwärme umsteigen, kostet Ihnen das ca. 2000 Euro. Je besser das Fernwärmenetz in einem Gebiet ausgebaut ist, desto günstiger sind tendenziell die Anschlusskosten. Die Betriebskosten setzen sich, ähnlich wie bei Strom und Gas, aus Grund- und Arbeitspreis zusammen. Der Grundpreis ist ein Fixpreis pro Jahr, mit dem die anteiligen Kosten für Kraftwerk und Netz abgedeckt werden – vergleichbar mit den Netzgebühren beim Strom. Der Löwenanteil der Gesamtkosten (75 Prozent) entfällt aber auf den Arbeitspreis. Er richtet sich nach dem tatsächlichen Verbrauch. Bei einem Verbrauch von 20.000 kWh liegt er ungefähr zwischen 1200 bis 2000 Euro jährlich bzw. zwischen 6 bis 10 Cent/kWh. Abhängig sind die laufenden Kosten natürlich auch davon, wie gut Ihr Haus gedämmt ist.

Günstiger oder teurer als Gas?

Ob Fernwärme auf Dauer billiger ist als Gas, ist nicht so einfach zu beantworten. Weil Erdgas bei der Erzeugung von Fernwärme nach wie vor eine große Rolle spielt, wird aber mit dem Gaspreis auch die Fernwärme teurer. Vielerorts gab es in jüngster Zet allerdings auch dann starke Erhöhungen, als der Gaspreis wieder im Sinken war. Das Problem: Fernwärme ist in Österreich nicht reguliert, eine systematische Preisbildung gibt es nicht. In vielen Städten und Gemeinden ist der Preis für Fernwärme Verhandlungssache zwischen Versorgern, lokalen Regierungen und Sozialpartnern.

 

Wie klimafreundlich ist Fernwärme?

Ob Fernwärme klimafreundlich ist oder nicht, kommt unter anderem darauf darauf an, welche Energieträger bei ihrer Erzeugung eingesetzt wird. Das ist regional sehr unterschiedlich, weil verschiedene Fernwärmesysteme zum Einsatz kommen. Beispiel Wien: Laut Angaben der Wien Energie stammen aktuell gut die Hälfte der Wiener Fernwärme aus den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die mit Erdgas betrieben werden und auch Strom erzeugen. 10 Prozent schießen Heikraftwerke hinzu, etwa ein Drittel kommt aus der Müllverbrennung, der Rest kommt aus industrieller Abwärme, Biomasse und Erd- und Umgebungswärme.

Ein Blick auf die österreichweiten Zahlen zeigt, dass mittlerweile 60 Prozent der Fernwärme aus erneuerbaren Energiequellen oder aus industrieller Abwärme stammen. Nahwärme-Heizwerke nutzen fast ausschließlich Biomasse, wobei das Holz meist direkt aus der Region stammt.

Vor- und Nachteile von Fernwärme im Überblick

Vorteile Nachteile
  • Alte Heizsysteme (z. B. Heizkörper) müssen nicht ausgetauscht werden
  • Wechsel des Fernwärme-Lieferanten nicht möglich: Ein Unternehmen stellt gesamte Infrastruktur in einem Gebiet zur Verfügung und bestimmt den Preis
  • Keine Wartung und Reparatur von Gasthermen oder Heizkesseln
  • Fernwärme ist nicht 100 Prozent grün, sie wird teilweise noch immer mit fossilen Brennstoffen erzeugt
  • Übergabestation braucht weniger Platz als Öl- oder Gaskessel
  • Fernwärme ist nicht überall verfügbar
  • Weder Kauf noch Einlagerung von Brennstoffen nötig
  • Ein Neuanschluss ist aufwändig und kostenintensiv und rentiert sich für eine einzelne Wohnung bzw. ein einzelnes Haus nicht
  • Keine Gefahrenstoffe, kein Feuer, keine Abgase

  • Fernwärme wird gefördert
 

AutorIn:
Datum: 27.02.2024
Kompetenz: Heizung

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