Bei einer Podiumsrunde diskutierten hochkarätige Vertreter der Bau- und Immobilienbranche die vom VZI erstellte Umfrage zu Zukunftsqualifikationen im digitalen Zeitalter (v.l.n.r. Gerhard Popp, Sektionsleiter der Sektion I, BMDW; Susanne Schindler, ALLPLAN; Wolfgang Kradischnig, DELTA; Iva Kovacic, Forschungsgruppe Integrale Planung, TU Wien; Andreas Köttl, Value One; Kurt Puchinger, Stadt Wien, Geschäftsgruppe für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung und Niklas Martin, Microsoft Österreich) © VZI

Planen & Realisieren im digitalen Zeitalter

Wie sieht der Arbeitsalltag in Architektur- und Ingenieurbüros in Zukunft aus? Eine Umfrage des VZI ergibt, dass neben der technischen Qualifikation vor allem Management-Kompetenzen sowie soziale und kommunikative Fähigkeiten berufliche Vorteile schaffen.

Gebäude werden immer smarter und Roboter übernehmen immer komplexere Aufgaben. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der Automatisierung vieler Prozesse müssen sich auch Architekten und Ingenieure die Frage stellen, wie der berufliche Alltag in der Zukunft aussehen wird und welche neuen Skills benötigt werden. Was die Praxis erfordert, findet in der Ausbildung jedoch noch zu wenig Berücksichtigung – so zumindest die Ergebnisse einer vom Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe (VZI) in Auftrag gegebenen, österreichweit durchgeführten Umfrage, die kürzlich in Wien vorgestellt wurde.

Großer Aufholbedarf bei Praxis-Vorbereitung

Die soziale Kompetenzen, wie etwa die Fähigkeit, im Team zu arbeiten, gewinnen laut Umfrageergebnissen zwar in der Praxis zunehmend an Bedeutung, jedoch werden sie für jeden zweiten Auszubildenden und in etwa zwei Drittel der Arbeitgeber derzeit nicht in ausreichendem Maße an technisch höheren Schulen, Fachhochschulen und Universitäten vermittelt. „Das frühzeitige Erlernen umfangreicher, über den rein technischen Bereich hinausgehender, Kompetenzen ist essenzieller Bestandteil für das erfolgreiche Arbeiten im digitalen Umfeld unserer Architekten und Ingenieure von morgen“, ist Andreas Gobiet, Präsident des VZI, Ingenos Gobiet, überzeugt. „Für uns als Technologieunternehmen sind die vom VZI abgefragten Zukunftsqualifikationen die Basis die jeder Mitarbeiter mitbringen muss“, unterstreicht auch Niklas Martin von Microsoft Österreich das Ergebnis der Umfrage.

Durch das Abwickeln von stetig komplexeren Projekten wird der Fähigkeit, sich selbst und andere zu führen sowie ein entsprechendes Qualitätsmonitoring sicherzustellen, eine immer größere Bedeutung zugestanden. Während Schüler und Studenten zur Hälfte der Meinung sind, dass ihnen Managementkompetenzen in ausreichendem Maße vermittelt werden, ist dieses Bild nur bei 20 Prozent der Unternehmen zu erkennen.

„In beinahe allen abgefragten Managementkompetenzen attestieren die Unternehmen den Absolventen ein schlechteres Bild, als diese deren Vermittlung an ihrer Ausbildungsstätte bewerten. Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass wir uns auch von Unternehmensseite stärker bemühen müssen, dass reale Projektabläufe in der Ausbildung Platz finden und die frühzeitige Konfrontation mit Herausforderungen stattfindet, die sich in planenden Berufen ergeben“, betont Wolfgang Kradischnig, DELTA. Zudem sind rund zwei Drittel der Schüler und Studenten der Meinung, ihre Ausbildung bereite sie gut auf die Praxis vor, während rund zwei Drittel der Befragten seitens der Architektur- und Ingenieurbüros der gegenteiligen Meinung sind.

Digitalisierung verändert Arbeitsalltag

Vor dem Hintergrund der Digitalisierung verändert sich der Arbeitsalltag von Architektur-und Ingenieurbüros laufend, eine entsprechende Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter ist unumgänglich. Bei 46 Prozent aller teilnehmenden Architektur- und Ingenieurbüros spielt die Veränderung der Branche durch die Digitalisierung in ihrem Unternehmen eine „intensive“ Rolle. Über 38 Prozent erleben die Veränderungen „im Detail“, während die übrigen 15 Prozent nur „oberflächlich“ betroffen sind. An keinem einzigen der befragten Unternehmen spielt laut den Mitarbeitern die Veränderung der Digitalisierung „gar keine“ oder „kaum“ eine Rolle. Nicht anders bei den in Ausbildung Befindlichen: Knapp 60 Prozent der befragten Schüler und Studenten sind der Meinung, dass in ihrem Lehr-/Studiengang „intensiv“ oder „im Detail“ auf die Veränderungen der Branche durch die Digitalisierung eingegangen wird. Bei den verbleibenden 40 Prozent schneiden knapp 30 Prozent das Thema „oberflächlich“ an und in circa10 Prozent der Fälle wird dieses Thema außen vor gelassen. „Digitalisierung heißt Veränderung und für Veränderung bedarf es sowohl Mut als auch Ressourcen. Das rasante Fortschreiten der Digitalisierung unterschiedlichster Prozesse bringt enormes Potenzial mit sich. Das Erlernen sogenannter ‘soft skills‘, wird immer wichtiger und muss daher ein anhaltender Prozess in den Unternehmen sein“, betont Andreas Köttl von Value One in diesem Zusammenhang. Und Iva Kovacic, Universitätsprofessorin und Leiterin der Forschungsgruppe für Integrale Planung der TU Wien bringt noch zwei weitere, wichtige Qualifikationen im Zusammenhang mit der Digitalisierung aufs Tapet: „Was wir vor allem benötigen ist die verstärkte Vermittlung mathematischer Kompetenzen und die Vermittlung von Fremdsprachen, vor allem Englisch. BIM lernt man schnell, aber hier haben wir aus heutiger Sicht enormes Potenzial nach oben.“

Vermittlung vom BIM hat Potenzial nach oben

Der Vermittlung digitaler Kompetenzen wie Building Information Modeling (BIM) wird seitens der Architektur- und Ingenieurbüros eine ebenso große Rolle zugesprochen. Dazu Gerhard Popp, Sektionsleiter der Sektion I, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort: „Wenn wir über die Bedeutung eines verstärkten Einsatzes von Zukunftsqualifikationen sprechen ist es wichtig, diese mit digitalen Kompetenzen zu verknüpfen. Ab 2020 werden digitale Kenntnisse in 90 Prozent aller Betriebe gefordert. Hier müssen die Unternehmen ihre Mitarbeiter entsprechend unterstützen.“

Hinsichtlich der Vermittlung von BIM wird jedoch sowohl von Studierenden und Schülern als auch von Architektur- und Ingenieurbüros Kritik geäußert. Für circa 86 Prozent der Auszubildenden wird BIM entweder „gar nicht“, „kaum“ oder nur „oberflächlich“ in den Lehr- und Studiengängen vermittelt und in etwa 76 Prozent aller befragten Unternehmen sind der Meinung, dass in Bezug auf die Vermittlung von Kompetenzen rund um das Thema BIM starker Aufholbedarf besteht. „Eine möglichst breit gefächerte und fundierte Ausbildung sichert unseren Jung-Architekten und -Ingenieuren den Eintrittsschein in die Unternehmenswelt“, betont Susanne Schindler von ALLPLAN. Wie wichtig die Ergebnisse der Umfrage für die Branche sind, bringt abschließend Kurt Puchinger von der Stadt Wien, Geschäftsgruppe für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung, auf den Punkt: „Die Unternehmen haben dann allerdings die Aufgabe, die Absolventen als Rohdiamant zu betrachten und mit den notwendigen Fähigkeiten, die es in der realen Arbeitswelt verlangt, auszustatten!“

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Datum: 10.09.2019

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