Monsterbauten? Schau zum "Betonbarock"
Bombastisches aus rohem Sichtbeton: Die Ausstellung „SOS Brutalismus – Rettet die Betonmonster!“ ermöglicht die Wiederentdeckung eines lang geschmähten Architekturphänomens.
„In den Sechzigern haben meine Bauten Preise bekommen, in den Siebzigern Zustimmung, in den Achtzigerjahren hat man sie infrage gestellt, in den Neunzigern fand man sie lächerlich. Und als es auf 2000 zuging, waren die, die ich am meisten mochte, schon abgerissen“, so der britische Architekt Owen Luder. So wie er haben auch in den Jahrzehnten viele beklagt, mit welcher Vehemenz der brutalistischen Betonarchitektur in den letzten zwei Jahrzehnten mit der Abrissbirne zur Leibe gerückt wurde – und weiter wird. Dem zuletzt aufkommenden Hype rund um die Stilrichtung, die deren Urheber vielmehr als Ethik verstanden haben, will das Architekturzentrum mit der Ausstellung „SOS Brutalismus – Rettet die Betonmonster!“ gerecht werden. Bis 6. August im Blickfeld: (noch) trotzende beziehungsweise gefallenen „Betonmonster“ – auf internationalem wie österreichischen Boden.
Nach einem jahrelangen Rückzugsgefecht scheint nun sowas wie ein Revival – sowohl des Architekturphänomens der 1950er bis 1970er Jahre, wie auch des dahinter stehenden gesellschaftlichen Prinzips – Platz zu greifen. Eine Trendumkehr in der Bewertung des Brutalismus ortet auch Az W-Direktorin Angelika Fitz. „Auf der architektonischen Seite begeistert der rhetorische Umgang mit dem Material Beton, aus gesellschaftspolitischer Sicht der Wunsch nach gebauter Demokratie, der sich in vielen dieser Bauten spiegelt.“
Datenbank der Initiative #SOSBrutalism
Um bereits verloren gegangene Betonbauten wie den (Noch-)Bestand zu sammeln und dokumentieren, wurde die Online-Initiative #SOSBrutalism gestartet. Die mittlerweile 1000 Gebäude umfassende Datenbank war bereits Basis einer Ausstellungspremiere im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt. Diese macht – um einen ausführlichen Österreichteil aus der Sammlung des Architekturzentrums erweitert – nun auch in Wien Station.
Zehn Österreich-Highlights
Die zehn österreichischen Highlights reichen von der ikonischen Wotrubakirche in Wien-Liesing über den bereits abgerissenen spektakulären Internatsturm in St. Pölten von Karl Schwanzer bis hin zu akut bedrohten Bauten wie dem Kulturzentrum in Mattersburg oder dem Kongresszentrum in Bad Gastein. Auch unbekannte Bauten, wie das komplett überformte Internat Mariannhill von Norbert Heltschl im Tiroler Landeck dürfen noch einmal zeigen, was brutalistische Architektur kann.