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Weltstädte im digitalen Wettlauf

Nächste – digitale – Runde im Wettbewerb der Weltstädte: Das Gottfried Duttweiler Institut hat dazu den Global City Index definiert. Welche Orte signifikante Spuren im Netz hinterlassen? Hier ein erstes Ranking!

Im digitalen Zeitalter wird der Wettbewerb der Weltstädte noch härter. Welche aktuell das Web regieren, hat das Gottfried Duttweiler Institut mit dem neuen Global City Index errechnet. Sichtbare Sehnsuchtsorte auf dem Screen: die großen Städte Europas und jene aus Übersee.

Metropole macht Macht – lockt Menschen und bindet materielle wie immaterielle Ressourcen: Was schon in den ersten Städten in Mesopotamien vor Tausenden von Jahren für die Zugkraft der Stadt sprach, stimmt erst recht im 21. Jahrhundert. Mittlerweile lässt die Globalisierung den noch jungen, nationalen Flächenstaat des 19. Jahrhunderts wieder richtig alt aussehen. Seine Funktionen und Führungsrolle übernehmen mehr und mehr die Zentren unserer Zeit. Die Idee des Stadtstaates – das hypermoderne Singapur wandelt hier auf den Spuren des historischen Athen – wird damit neu aufgerollt. Vom Bedeutungswandel – ob nun segensreich oder nicht bleibt hier dahingestellt – profitiert die steigende Zahl der globalisierten Großstädte, in denen sich ein neues Weltbürgertum sammelt. Das flache Land und seine geringere Anzahl an entscheidenden Akteuren bleibt hier zurück – und fällt auch aus dem digitalen Kommunikationsraster: viel für Urbi, wenig für Orbi also. Damit stellt sich zwangsläufig auch die Frage nach der plattformdeterminierten Signifikanz von Stadt, ihrer Awareness und ihrer Spielstärke im Netz; unabhängig ihrer heute (noch) traditionellen Verbindungen und mehr oder weniger tragenden Rollen im analogen Macht- und Wirtschaftsgefüge. Wichtig wird: Which City is seen on Screen?

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Dominanz am Infosektor

An den hoch urbanisierten Schauplätzen unserer Tage werden die neuen ökonomischen, (sicherheits)politischen wie auch kulturellen Leitbilder wenn schon nicht immer ersonnen, so zumindest erprobt und erlernt. Die daraus resultierende Informationsflut läuft über den Datenhighway immer schneller von Stadt zu Stadt, vernetzt den Homo Urbanus über Kulturen und Sprachen immer intensiver. Und mobilisiert sie weiter. Die Folge: Ein City-Hopping der anderen Art; abhängig vom Vernetzungsgrad. Wobei hier manche Städte besser und manche weniger gut abschneiden.

Zeitalter der Stadt: Weltweiter Wettbewerb

Immer größer, immer fortschrittlicher – fokussierter, finanzkräftiger und konzentrierter: Die 50 größten Städte beheimaten aktuell rund eine Milliarde Menschen, wie das Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon bei Zürich vorgerechnet hat. In dieser Masse sammeln sich die Kaste der Kosmopoliten, Know-how, Kapital und Kreativität. Trümpfe, um die laut dem Think Tank aus der Schweiz wohl künftig noch heftiger gebuhlt werden dürfte. „Städte sind die neuen Wettbewerber. Sie konkurrieren um Unternehmen, um Investitionen, um Köpfe. Für die Investitionsentscheidungen der Unternehmen zählen dabei in erster Linie harte Fakten wie Infrastruktur oder Steuerlast, für die Beschäftigten spielen auch weiche Faktoren wie Freizeitwert oder kulturelle Vielfalt eine wichtige Rolle“, sagen die Trendscouts aus der Eidgenossenschaft. Sie raten gleichzeitig, den politischen Entscheidern, „in allen Kategorien gute Argumente“ zu liefern. Denn: „Ohne kreative Köpfe werden Unternehmen kaum investieren, und umgekehrt werden die High Potentials nicht lange bleiben, wenn ihnen keine attraktiven Arbeitsmöglichkeiten geboten werden.“

Netzwerker: Wer regiert Smartopia?

Dieser Wettbewerb läuft mittlerweile auf vielen Ebenen – und wird auch im Word Wide Web mit Verve geführt. Dort und vor allem in Smartopia werden Städteimages und Rollen geprägt, die dann über den Globus laufen und über kurz oder lang über das Wohl und Weh sowie das Standing der großen wie kleinen Weltmetropolen mitentscheiden dürften.

The Global City Ranking: Die Tabelle liefert die errechnete Platzierung der jeweiligen Stadt in der Länge des Balkens: je länger der Balken, desto besser ist die Platzierung im Ranking. Die drei Bereiche innerhalb des Balkens machen ersichtlich, welche Position die Städte im Twitter- (Blau), Wikipedia- (Schwarz) und in Web-Ranking (Rot) besetzen. © www.globalinfluence.world

Die vernetztesten Städte der digitalen Welt

Welche Stadt ist nun am Radar? Welchen Vernetzungsgrad haben die einzelnen, miteinander in Beziehung wie auch in Konkurrenz zueinander stehenden Städte über Menschen und Kulturen hinweg erreicht? Wer dominiert auf der virtuellen Landkarte der Vernetzung? Um hier die digitale Spur aufzunehmen, haben die GDI-Experten unter Senior Researcher Detlef Gürtler den Global City Index (ein ausführliches Interview dazu lesen Sie auf den nächsten Seiten) entwickelt. Ergebnis: Es sind nicht unbedingt die Megametropolen aus Fernost, die im weltweiten Ranking der vernetztesten Städte ganz oben landen und ob ihrer Netzwerkrolle aus dem digitalen Dschungel herausragen. Für ihre unorthodoxe Rangliste haben die Eidgenossen den Vernetzungsindikator „Reach2“ eingesetzt. Dieser zeigt auf, wie viele Punkte innerhalb eines Netzwerks über maximal zwei Verbindungen erreicht werden können. „Je zentraler die Position in einem Netzwerk ist und je größer die Zahl der Verbindungen, die man direkt oder indirekt hat, desto höher ist der Reach2-Wert“, so der GDI-Forscher. Ins Premiereranking wurden die 50 bestplatzierten Städte im A.T. Kearny Global Cities Ranking und die Top-Städte im GaWC-Ranking aufgenommen und auf ihre Reach2-Potenz hin untersucht. Analysiert wurden der Gesamtbestand der englischsprachigen Wikipedia-Enzyklopädie, der aktuelle Twitter-Feed, sowie das World Wide Web, wie es sich durch Google erschließt.

Das Bild zeigt 59.036 Flugrouten zwischen 3.209 Flughäfen, die das Datenset des Open-Source-Projekts openflights.org im Januar 2012 gesammelt hatte.             © openflights.org, GDI

Digitale Oberliga: Städte aus Europa und Nordamerika

Das Global City-Ranking zeigt die digitale Dominanz der europäischen und nordamerikanischen Metropolen, die fast allesamt die vorderen Ränge beherrschen: Fünf aus den Top 10 (Top 10 GCR) sind am alten Kontinent angesiedelt, vier liegen in der Neuen Welt. Aus Asien hat es nur Tokio in die Oberliga der digitalen Netzwerker geschafft. „Das Gesamtbild der Vernetzungsanalyse zeigt dabei spannende Ähnlichkeiten mit dem Netzwerk, das sich aus den globalen Flugverbindungen ergibt. Viele gut platzierte Städte sind zentrale Knoten im weltweiten Flugverkehr“, wie Gürtler aus den Datensätzen herausliest. Unter den 68 untersuchten Städten rangiert Wien hier auf dem 45. Platz. Ein eher mageres Ergebnis im Vergleich zu den bereits belegten Dauerstockerlplätzen im Mercer-Ranking. Die rote Laterne trägt ausgerechnet das weltwirtschaftlich nicht unbedeutende Zürich, das in unmittelbarer Nähe des Forschungsinstitutes liegt. Unwesentlich besser hat Genf abgeschnitten. Für die zweite Schweizer Stadt im Ranking hat es für Platz 61 gereicht. Das GDI schreibt dazu: „Im A.T. Kearny Global Cities Ranking belegt Genf Platz 14 und Zürich Platz zwölf. Für diesen Unterschied dürfte vor allem die Größe der Städte ausschlaggebend sein, denn beide sind gemessen an der Bevölkerungszahl geradezu winzig – fast alle anderen Teilnehmer sind Millionen- oder gar Multimillionenstädte. Je weniger Einwohner, desto geringer ist die Twitter-Aktivität und desto weniger passiert in der Stadt.“

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Datum: 23.10.2018

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