Architekturwettbewerbe: Arbeiten für den Mistkübel
Architekten werden durch Wettbewerbe ausgebeutet, Jurys sind überfordert, es gibt zu wenig Geld. Für die einen sind Architekturwettbewerbe die beste Lösung und eine Chance für junge Büros, andere sehen darin kein Mittel für mehr Nachhaltigkeit am Bau.
Nachhaltigkeit ist in der Architektur mittlerweile ein wichtiges Thema, aber sind auch Architekturwettbewerbe nachhaltig? Sind Nachhaltiges Planen und Bauen auch ohne Wettbewerb möglich? Diesen Fragen ging eine hochkarätig besetzte Runde, bei einer Podiumsdiskussion der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (bAIk) nach. Für Georg W. Reinberg, Mitglied des Nachhaltigkeitsauschusses der bAIk "funktionieren Architekturwettbewerbe nicht, schon gar nicht im Kontext der Nachhaltigkeit". Reinberg forderte eine "Artenvielfalt bei Verfahren", denn die gesteigerten ökologischen Ansprüche würden Wettbewerbe für Architekten unfinanzierbar machen. Die Wettbewerbsverfahren selbst seien nicht nachhaltig, so Reinberg: "Energie und Arbeit werden weggeworfen. Nachhaltige Architektur bedarf neuer Wettbewerbsverfahren. Mehr Geld, mehr Zeit, mehr Respekt vor den Architekten gehören dazu."
Vorbildfunktion fehlt
Bruno Sandbichler, Sprecher der IG Architektur, verlangte ebenso mehr Geld für Wettbewerbe sowie die Vorbereitung von Wettbewerben und nahm die Bauherren in die Pflicht. Die Vorbildfunktion der öffentlichen Auftraggeber fehle: "Förderungen werden ohne Bindung an Qualitätskriterien vergeben". Sandbichler kritisierte außerdem die Jurys: "Haben bei der Entscheidung für den Sieger auch alle verlangten Kriterien eine Rolle gespielt?"
Günther Sokol von der Bundesimmobiliengesellschaft BIG hält Wettbewerbe nicht für tot, im Gegenteil sie wären "Garanten für die beste Idee und Lösung". Der Bauherr müsse jedoch wissen, "was er haben will und was nachhaltig sein soll". Die BIG realisiere nur die Wünsche ihrer Kunden. Diese würden über die Nachhaltigkeit entscheiden.
Integrale Gesamtkonzepte gefordert
Der Strategieberater für Bauherren, Karl Friedl, Geschäftsführer der M.O.O.CON, forderte einen Generalplaner-Wettbewerb statt eines Architekturwettbewerbs: "In Hinblick auf Nachhaltigkeit geht es um integrale Gesamtkonzepte". Er sah ebenso die Jury gefordert, indem "nachhaltige Themen gleich gewichtig zu diskutieren sind wie Gestalterische". Der Leiter der Immobilienabteilung der Wirtschaftsagentur Wien, Fritz Kittel, warnte vor überfrachteten Briefings bei Wettbewerben. "Je mehr ökologische Ziele, desto unrealistischer wird die Erfüllung".
"Wettbewerbskultur gehört gehegt"
Eine Bresche für junge Architekten schlug bAIK-Präsident Georg Pendl, der eine "Vielfalt bei Verfahren und eine Vielfalt der Architekten, die Aufträge bekommen", forderte. Wettbewerbe seien eine Chance für junge und kleine Büros, die anders keine Aufträge bekommen. Deswegen gehöre "Wettbewerbskultur gehegt und gepflegt". Das Thema Nachhaltigkeit müsse besonders bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand "transparent, fair und nachvollziehbar" kommuniziert und bewertet werden.
Bei der abschließenden Diskussion mit dem Publikum war der Schaden des Architekten, der durch das "Arbeiten für den Mistkübel" entsteht, das Hauptthema. Der Aufwand einer Wettbewerbsteilnahme würde sich durch die Nachhaltigkeitsanforderungen erhöhen, den Lohn bekomme nur ein Büro. Die Mehrheit trat für ein zweistufiges Verfahren bei Wettbewerben ein, nur Pendl war gegen die Präqualifikation durch Referenzprojekte – das würde wiederum die Jungen benachteiligen.