Das neue Stadthaus
Ein neues Raumstruktur-Konzept soll Bauen für künftige, flexible Nutzungen ermöglichen und den beliebten Gründerzeit-Bauten nachfolgen. Im zehnten Wiener Bezirk soll das erste "Neue Stadthaus" entstehen.
Der Problematik äußerst eingeschränkter Nachnutzung von Räumlichkeiten hat sich das Wiener Architektur-Büro "nonconform - architektur vor ort" angenommen: Mit dem Neuen Stadthaus, einer durchdachten, universellen Raumstruktur angelehnt an die Gründerzeit-Bauten, versprechen die Planer nun Nutzungs-Flexibilität bis in die ferne Zukunft. Im Rahmen einer zweijährigen Studie, gefördert von der Wirtschaftsagentur Wien, wurden die flexibelsten Details eines Gebäudes errechnet und in einem marktfähigen, zukunftsweisenden Konzept vereint - dem Neuen Stadthaus. Das erklärte Ziel: Die Gebäude sollen den Anforderungen nach wertbeständiger Langlebigkeit, Flexibilität, hoher Lebensqualität, Individualität und leistbaren Kosten entsprechen. Die sogenannte Quadratur des Kreises - ist sie etwa gelungen?
Halbfertige Stadt immer wieder neu gestalten
Für den bei der Studie involvierten Architekten und TU Wien-Dozent Erich Raith geht es um nachhaltige Raumentwicklung und ein Bewußtsein für die nächsten Generationen: "Es braucht Gebäude, denen es egal ist, was man an den Räumen macht. Unser Konzept ist es die Stadt als halbfertig zu definieren und immer wieder neu zu gestalten."
"Das Neue Stadhaus ist offen für mannigfaltige Nutzung", erklärt Studien-Autorin Caren Ohrhallinger die Details: Ökonomische Ideal-Maße in größtmöglicher Offenheit bilden den Ausgangspunkt beliebig variierbarer Grundrisse. Dazu gesellt sich eine erhöhte Raumhöhe und eine mit dem Tragwerk gekoppelte Haustechnik als Stecksystem.
Wohnbau am Bedarf vorbei
"Der Wohnbau ist so groß und komplex, dass er nahezu innovations-resistent geworden ist. Es wird am Bedarf vorbei gebaut. Ein Entwicklungsschritt sollte auch in Wien gelingen, sonst entsteht auch in Aspern keine Urbanität, sondern eine neue Großfeldsiedlung", unterstreicht Raith den Stellenwert des übrigens als Marke geschützten Konzeptes "Neues Stadhaus". Es soll der Nachfolger des beliebten Gründerhauses werden und vor allem auch in bereits bebauten Vierteln zur Sanierung und Verdichtung von Bezirken eingesetzt werden.
Erstes Pilot-Projekt
Und das Neue Stadthaus soll auf keinen Fall auf gedrucktem Papier verrotten: Mit der ifa AG, dem Institut für Anlageberatung in Linz, wurde ein Partner gefunden, der das Konzept erstmalig umsetzen will. In der Jagdgasse im zehnten Wiener Gemeindebezirk soll bereits 2014 der Baustartschuss fallen. Ferdinand Lechner vom Bauträger: "Heute wären wir froh über Gebäude, wo wir Wohnungen einfach abtrennen könnten. Das Konzept ist einfach und verspricht günstiges Bauen über Fertigteile. Das geht sonst nur bei Qualitätseinsparungen."
Das neue Stadthaus - die wesentliche Merkmale:
- ein großzügiger und repräsentativer Eingang und ein gut belichtetes Stiegenhaus
- die Raumhöhen sind mit einer lichten Raumhöhe von drei Metern und der Sockelbereich mit 4,8 Metern bemessen
- flexible, einfache Haustechnik, die die Vorteile des Passivhauses mit punktuellem Technikeinsatz verbindet
- die Grundstruktur des Gebäudes wird in Fertigteilbauweise errichtet, die Fassade in Systembauweise. Dadurch sinkt die Feinstaubbelastung während der Bauzeit und die gewünschte Flexibilität des Raumkonzepts wird erreicht
- Über die gemischte Nutzung im Stadtgebiet wird die Zwangsmobilität der Nutzer und damit der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß verringert. Durch die längere Nutzungsdauer wird die Gesamtbelastung der Umwelt deutlich gesenkt.
Faktor maximale Bruttogeschossfläche
Architektin Ohrhallinger: "Der klassische Bebauungsplan mit Bauklassen und damit einer maximalen Gebäudehöhe führt zur Minimierung der Raumhöhen. Bauträger und Investoren wollen die maximale Bruttogeschoßfläche erzielen - schließlich beziehen sich auch die Kosten eines Grundstückes auf die maximal erzielbare Bruttogeschoßfläche. Daher ist es sinnvoll - so wie es die Stadt Wien bei der Seestadt Aspern bereits gemacht hat - zusätzlich zur Bauklasse eine maximale Bruttogeschoßfläche festzulegen, die unter dem maximalen Wert laut Bauklasse liegt. Dies lässt Spielraum bei den Geschoßhöhen und höhere Raumhöhen bringen keine finanziellen Nachteile mehr für den Bauträger oder Investor. Die marginal höheren Baukosten sind durch die höhere Attraktivität und die Nutzungsneutralität auch ökonomisch begründbar", führt Architektin Caren Ohrhallinger aus.