Interview Amann: Die Deckungslücken
Wohnbau-Experte Wolfgang Amann verrät im immonet.at-Interview, wie hoch Österreichs Wohnungsbedarf tatsächlich ist und warum der heimische Markt noch viel dynamischer ist, als viele glauben.
Laut Wifo halten sich die Baubewilligungen bei 42.000 im Jahr. Beim Bedarf werden immer wieder unterschiedliche Angaben gemacht. Wie schaut es denn jetzt tatsächlich beim heimischen Wohnbau aus?
Wolfgang Amann: Das ist in der Tat ein heikles Thema, weil es eine Umstellung in der Statistik gegeben hat: Früher wurden alle errichtete Wohnungen gezählt, nach neuer EU-Statistik werden nur neue Wohnungen in neuen Wohngebäuden berücksichtigt. Statistisch war in den letzten Jahren immer ein Wert von 6.000 bis 7.000 Wohnungen ausgewiesen, die aus der Sanierung und aus gemischt genutzten Gebäuden kommen. Ein Teil davon ist vorher als Wohnungsabgang in der Statistik. Wir arbeiten daran, diese Unklarheiten zu beseitigen. Beim Wohnungsbedarf ist die Frage des Wohnungsabgangs eine sehr wesentliche. Wir stellen jedenfalls fest, dass in Österreich über die letzten Jahre ein sehr stabiles Niveau des Wohnungsneubaus realisiert worden ist. Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet können wir davon ausgehen, dass wir nahe am Bedarf sind. Die Lücke ist nicht dramatisch hoch. Allerdings gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Und jene Bereiche, wo der Bedarf deutlich verfehlt wird, sind daran erkennbar, wie sich die Preise entwickeln. Das heißt: Wien, Salzburg, Innsbruck – die Verdichtungsräume. Dort ist ganz offensichtlich ein Überhang beim Wohnungsbedarf, der sich in höheren Immobilienpreisen niederschlägt.
Wie hoch ist also der Bedarf tatsächlich?
Amann: Wenn wir zu den 42.000 neuen Wohnungen die rund 7.000 neuen Wohnungen in bestehenden Gebäuden dazu rechnen, kommen wir in den Bereich des tatsächlichen Wohnungsbedarfs. Also in etwa 50.000 Wohnungen. Die regionale Verteilung ist damit aber noch nicht geklärt. Wir haben selbstverständlich die Deckungslücke in Wien, im Wiener Umland, Salzburg, Innsbruck…
Neues Sonnwendviertel (Bild), Aspern & Co: Wien läuft seinem Wohnungsbedarf hinterher.Visualisierung: ÖBB
Wie sieht es denn konkret in Wien aus?
Amann: Die Stadt Wien hat kürzlich eine Wohnungsbedarfsprognose fertig gestellt. Dort geht man von einem Bedarf von rund 9.000 Wohnungen pro Jahr aus. Bei unseren Berechnungen kommen wir (IIBW) auf eine höhere Zahl, etwa 11.000 bis 12.000 Wohnungen pro Jahr. Leider haben wir für Wien eine sehr schlechte Datenbasis über die Errichtungszahlen. Insgesamt hat es lange gedauert, bis die Statistik über Bewilligungen und Fertigstellungen wieder einigermaßen auf Stand ist - es gab eine Umstellung zum Zentralen Adressregister. Die Stadt Wien hat dabei den größten Rückstand bei der statistischen Aufbereitung. Die Zahlen, die uns vorliegen, sprechen von einer Größenordnung von etwa 6.000 bis 7.000 neuen Einheiten. Es ist aber denkbar, dass es da noch zu Nachmeldungen kommt. Wir können jedenfalls für Wien von einer Deckungslücke von mehreren tausend Einheiten pro Jahr ausgehen.
Produktionslücken, Rückgang bei der Wohnbauförderung – Was erwartet uns in den kommenden Jahren?
Amann: Die verfügbaren Wohnungsmarktdaten unterschätzen die Entwicklung. Auch wenn für Wien deutliche Preissteigerungen ausgewiesen werden, dürfte die tatsächliche Preisentwicklung insbesondere beim Eigentum noch dynamischer sein. Eine der Triebfedern ist, dass viel Investitionskapital in den Eigentums-Wohnbau geflossen ist. Wenn Sie sich ansehen, welche Renditen heute für einen Privatanleger am Kapitalmarkt erzielbar sind, ist die Flucht in die Immobilie mehr als verständlich. Damit stehen wir in Österreich und vor allem in Wien ziemlich einzigartig da. In den meisten Metropolen sind die Preise im Zuge der Krise kräftig nach unten gegangen, haben sich aber mittlerweile wieder stabilisiert. Wien aber hat heute eine der stärksten Entwicklungen im europäischen Vergleich. Das Preisniveau liegt noch unter Städten wie München, London oder Paris. Bei der Preisdynamik aber ist Wien heute ganz vorne, insbesondere im Spitzensegment. Vor wenigen Jahren war es ohne weiteres möglich in sehr guter Lage eine sehr gut ausgestattete Wohnung um 3.000 Euro pro Quadratmeter zu bekommen. Da reden wir heute schon von 7.000 Euro im Spitzensegment.