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Interview Amann: Rückläufige Förderausgaben

Weniger Fördermittel, steigende Wohnbeihilfe: Wohnbau-Experte Wolfgang Amann im immonet.at-Interview über die drohende Abwärtsspirale bei der heimischen Wohnbauförderung - und was dagegen getan werden kann.

Sparkurs bei den Wohnbaufördermitteln. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Wolfgang Amann: Beim zuletzt beschlossenen Konsolidierungspaket war erfreulicherweise die Wohnbauförderung kein Thema. Sie wird in Österreich mit beachtlichem Konsens von fast allen Stakeholdern in derzeitiger Funktionsweise im Wesentlichen gut geheißen. Insofern sieht es momentan so aus, dass die Wohnbauförderung längerfristig stabil aufgestellt ist. Es ist aber tatsächlich so, dass 2010 – das momentan letzte Jahr mit sicheren Daten – es einen deutlichen Rückgang bei den Förderungszusicherungen gab. In der Größenordnung von etwa 18 Prozent. Das hat sich 2011 vermutlich fortgesetzt. Die Förderungsausgaben waren 2010 noch stabil, dürften 2011 aber rückläufig gewesen sein. Es hat sich allerdings am Markt eine Entwicklung ergeben, dass der freifinanzierte Wohnbau angesichts steigender Marktpreise für private Entwickler sehr attraktiv geworden ist. In den letzten Jahren sind also die gewerblichen Bauträger in die Presche gesprungen und haben die Lücke des rückläufigen geförderten Wohnbaus weitgehend kompensiert. Niemand hat etwas dagegen, wenn der Markt Produkte liefert und der Staat geringere Aufgaben hat. Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass der gewerbliche freifinanzierte Wohnbau sehr viel volatiler ist, d.h. wenn die Marktnachfrage ein bisschen nachlässt, geht der freifinanzierte Wohnbau sehr rasch und sehr stark zurück. Es kommt zu einer starken Zyklizität. Eine der großen Stärken des geförderten Wohnbaus ist seine Kontinuität. Das hat man sehr gut während der Krisenjahre um 2008 gesehen. Es hat auch keine Kreditklemme in diesem Bereich gegeben. Selbst in diesem dunklen Tal der Tränen haben Banken weiter finanziert. Das ist ein Gut, das es zu erhalten gilt. Ein zweiter Aspekt kommt noch dazu: Die Wohnbauförderung ist ein starkes Lenkungsinstrument. Es geht nicht nur um die Zahl der Wohnungen, sondern über die Wohnbauförderung werden auch Qualitätsstandards in hohem Maße implementiert. Etwa hinsichtlich der thermischen Qualität. Freifinanzierter Wohnbau muss sich nur an der Bauordnung orientieren.


Sie haben schon mehrfach die Problematik von Objektförderung und Subjektförderung angesprochen.
Amann: Das österreichische Modell der Wohnbaufinanzierung basiert darauf, dass der größte Teil der Förderung den Bauherren ausbezahlt wird, d.h. dass das Angebot verbilligt wird. In vielen anderen europäischen Ländern ist man verstärkt in die Richtung gegangen, die Nachfrage zu stärken: Man hat dabei auf Basis eines liberal-marktwirtschaftlichen Grundverständnisses versucht, das Angebot über den Markt zu generieren, gleichzeitig aber die Nachfrage von sozial schwächeren Haushalten mit Subjektförderungen, also Wohnbeihilfen, zu stärken - damit diese am Markt mit größerer Kaufkraft auftreten können. Österreich geht traditionell einen anderer Weg: Insbesondere über die Gemeinnützigen Bauvereinigungen, aber auch im Eigenheimbereich, werden mittels Förderung für mittlere Einkommen gut leistbare Wohnungen produziert. Nur für die untersten Einkommen werden zusätzlich Wohnbeihilfen angeboten. Das hat zur Folge, dass in Österreich nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung Wohnbeihilfen benötigt – genau sechs Prozent. Alle anderen – und dazu zählt auch der untere Mittelstand – können sich mit den Angeboten unserer Wohnungswirtschaft angemessen versorgen. Wir haben in Österreich eine der besten Wohnungsversorgungen im europäischen Vergleich. Etwa was die Wohnfläche pro Person betrifft: 43 Quadratmeter (Ö) zu 38 Quadratmeter (EU-Schnitt).

Seit Jahrzehnten nimmt der Anteil an Wohnbeihilfe zu. In Österreich erreicht sie nun sechs Prozent.Grafik: GBV


Wie dramatisch ist die Entwicklungsspirale: Weniger Objektforderung (und damit weniger Wohnbau) aufgrund gestiegener Subjektförderung?
Amann: Der Anteil der Beihilfeempfänger lag in den neunziger Jahren noch bei etwa drei Prozent. Ein stark steigender Teil der Förderausgaben geht somit in die Subjektförderung. Berechtigterweise wird diese Entwicklung kritisch diskutiert, da damit die Möglichkeiten der Objektförderung beschnitten werden. Die Argumentation geht in die Richtung, dass die Subjektförderung einmal ausbezahlt wird und die Subvention weg ist. Wenn es in die Objektförderung geht, wird damit Wohnraum geschaffen, der langfristig kostengünstig zu Verfügung steht. Im Wohnungs-Gemeinnützigkeits-Regime ist es ja so, dass Wohnungen auf Bestandsdauer nach Kostenmiete bzw. deutlich unter dem Marktwert vergeben werden.
Wir haben vor einiger Zeit eine Prognose erstellt, wie sich die Wohnbeihilfe weiter entwickeln wird. Da waren dramatische Ergebnisse zu sehen. Niemand hat großes Interesse daran, dass man sich die Spielräume der Wohnbauförderung dadurch einengt, dass die Zahlungsverpflichtung für die Subjektförderung wachsen und wachsen. Es ist im ureigensten Interesse der Wohnungspolitik der Länder, dass sie das im Griff behalten. Leider ist es aber nicht zu bestreiten, dass es zu einer stärkeren Schieflage bei der Einkommensverteilung kommt. Das führt dazu, dass Sozialtransfers wie die Wohnbeihilfe langfristig tendenziell steigen werden.


Wie kann dagegen angegangen werden?
Amann: Wir konnten 2010 immerhin sehen, dass die Ausgaben der Wohnbeihilfe auf dem Vorjahresniveau gehalten werden konnten. Mehrere Bundesländer haben die Anspruchsberechtigung für die Wohnbeihilfe verändert. Es gab unterschiedliche Vorgehensweisen: Einerseits wurden die Einkommensgrenzen verändert, andererseits wurden Kontrollen verschärft und in manchen Fällen wurden auch andere Zugangskriterien verändert.
Eine wichtige Quelle für steigende Wohnbeihilfe ist, dass der private Markt immer weniger billige Wohnungen anbietet. Der Grund liegt im Wesentlichen in der massenhaften Sanierung schlecht ausgestatteter Wohnungen. Dagegen kann niemand etwas haben. Aber das hat zur Folge, dass wenn wir soziale Durchmischung wollen, es eben auch Subjektförderung für den privaten Bestand geben muss. Das hat es früher nicht gegeben, wurde aber in den letzten Jahren in fast allen Bundesländern eingeführt. Eine gewisse Automatik ist leider unvermeidlich. Man kann bei der Anspruchsberechtigung drehen. Man kann bei der Höhe der Wohnbeihilfe drehen. Aber man muss auf der anderen Seite bedenken, dass es nicht im Interesse des Staates ist, dass grundsätzlich anspruchsberechtigte Haushalte etwa aus mangelnder Information Hilfe nicht in Anspruch nehmen. Beihilfe ist nicht nur ein Akt der Wohltätigkeit des Staates, sondern es ist eine Maßnahme, die volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist.
In Österreich herrscht eine im internationalen Vergleich günstige Situation bei den Einkommen – sie liegen insgesamt um 22 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Es zeigt sich aber eine interessante Situation bei der Einkommensverteilung: Beim untersten Einkommensquintil – das sind die 20 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen – liegen die österreichischen Haushalte um 75 Prozent über dem EU-Schnitt, beim obersten Quintil gerade eben gleichauf. Das heißt, dass in Österreich eine wesentlich flachere Einkommensverteilung als im europäischen Durchschnitt besteht. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum bei uns der Sektor des Gemeinnützigen Wohnbaus, der ja eigentlich ein Sozialwohnungssektor ist, auf so hohem Niveau so gut funktioniert, und warum ähnliche Sektoren in anderen Ländern bei weitem nicht so gut funktionieren – weil sich die Zielgruppen dort die Standards nicht leisten können.

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Datum: 12.07.2012

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