Spanien holt sich Küste
Rund 200.000 Immobilienbesitzer müssen derzeit in Spanien um ihren Grund und Boden zittern. Ein Küstenschutzgesetz berechtigt die Regierung dazu, Grundstücke, die sich innerhalb einer gewissen Entfernung zum Meer befinden, in staatlichen Besitz zu bringen.
Eigentlich ist der Sinn des 1988 erlassenen Gesetzes, Spaniens Küsten und die Dünen zu schützen und der Öffentlichkeit Zugang zum Strand zu garantieren. Allein am Mittelmeer sollten 776 Kilometer wieder uneingeschränkt der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Tausend Gebäude wurden inzwischen abgerissen. Die Bauwut "schwarzer Schafe" hat in den letzten Jahren zahlreiche, dem Vernehmen nach illegale Hotel- und Appartement-Anlagen aus dem Boden schießen lassen, deren Errichtung und Betrieb in jedem Fall nahe der Verfassungswidrigkeit balancieren. Leider bringen hier wie anderswo überstürzte Regierungsmaßnahmen oft betrüblichen "Collateral Damage" mit sich.
Vor einigen Tagen beispielsweise demonstrierten die Behörden im Süden von Teneriffa, was Staatsgewalt bedeutet: Ein Fischerdorf, vor 40 Jahren an einem Felsen über dem Meer erbaut, wurde allen Protesten der Einwohner zum Trotz, einfach abgerissen. Die Anlage habe gegen das Küstengesetz verstoßen, da die Wohnungen weniger als 50 Meter vom Meer entfernt errichtet worden waren. Die Anwohner verstehen nicht, dass 15 Jahre lang die Legalität ihrer Siedlung angezweifelt wurde, sie aber jeden Monat pünktlich ihre Strom- und Wasserkosten zahlen mussten. Auch Steuergelder fielen in der angeblich "illegalen" Urbanisation an.
In Spanien sind Enteignungen zugunsten des Allgemeinrechts keine Seltenheit. Dabei werden Grundstücke in landwirtschaftlich genutzten oder dünn besiedelten Gebieten eher enteignet als solche, die sich in urbanen Regionen befinden. Bei öffentlichen Baumaßnahmen stehen die Belange der Allgemeinheit meist mit dem Privatrecht auf Kriegsfuß.
Glaubt man der staatlichen Seite, dienen die Enteignungsmaßnahmen lediglich dazu, bestimmte Gebiete vor Bauhaien und Umweltsündern zu schützen. Im Vorfeld hatten bereits verschiedene autonome Regionen die Regierung über die Existenz von 113 besonders gefährdeten Grundstücken in Kenntnis gesetzt - die Zentralregierung muss letztendlich "Eigentümer" der gefährdeten Gebiete werden, da deren Schutz sonst nicht gewährleistet ist.
Nicht zuletzt, weil die Kompetenzen für Küstenangelegenheiten den Gemeinden und autonomen Regionen unterliegen. Der Schutzplan stützt sich übrigens auf eine ähnliche Initiative der französischen Regierung. Derzeit laufen jedenfalls spanienweit die Vermessungen der Küstenlinien munter weiter, um, basierend auf den Ergebnissen, die Schutzgebiete neu festzulegen.