WIFO-Studie zeigt Weg für Krisenländer
Eine WIFO-Studie definiert die Kriterien für einen Erholungsprozess krisengebeutelter EU-Südländer. Studienautor Matthias Firgo erklärt in seinem Gastkommentar die wesentlichen Inhalte. Dabei: die Immobilien- und Bauwirtschaft.
Die Krisenländer Südeuropas befinden sich in einer ähnlichen Situation wie wirtschaftsschwache Regionen innerhalb eines Landes: Sie sind Teil einer Währungsunion, sodass das in Krisenfällen wichtige Instrument der Währungsabwertung nicht zur Verfügung steht. Eine Abwertung kann nur über eine Korrektur des Preis-Leistungsverhältnisses erfolgen. Dies erfordert jedoch meist Lohnkürzungen, da eine Steigerung der Produktivität, welche ebenfalls die Lohnstückkosten senken würde, nicht rasch genug zu erreichen ist.
Im Rahmen des Forschungsprojektes "Welfare, Wealth and Work for Europe - WWWforEurope" zeigt eine aktuelle Untersuchung des WIFO anhand der Analogie zwischen den Ländern des Euro-Raumes und den Regionen innerhalb eines Landes Kriterien und Strategien für eine langfristig erfolgreiche Entwicklung der Krisenländer Südeuropas auf. Die Ergebnisse verdeutlichen die Schwierigkeit nachhaltiger Aufholprozesse innerhalb einer Währungsunion: Zwischen 1991 und 2009 wechselten lediglich 7 der 58 Regionen im Quartil mit der niedrigsten Produktivität ihres Landes in die obere Hälfte der Verteilung (Grafik). Ehemals unterdurchschnittlich produktive Regionen, die zu Erfolgsregionen geworden sind, zeichnen sich durch eine höhere Investitions- und Innovationstätigkeit, einen höheren Industrialisierungs- und Bildungsgrad, jedoch nicht durch eine niedrigere Lohnquote zu Beginn des Beobachtungszeitraumes (1991) aus als Regionen, die in der unteren Hälfte der Produktivitätsverteilung verblieben sind. Diese Erkenntnisse verdeutlichen die Defizite der derzeitigen passiven Reformprogramme und die Notwendigkeit aktiver und wachstumsorientierter Strategien für die Länder Südeuropas.
Die Peripherieländer müssen daher eine Vision ihrer Position und Stärken nach der Krise definieren, die Produktivität steigern, ihre Industriepolitik neu ausrichten, ein investitionsfreundliches Klima schaffen, ihr Tourismusangebot diversifizieren. Ebenso müssen sie ihre Offenheit gegenüber der Globalisierung erhöhen, Strukturveränderungen in Ausbildung wie Innovationssystem akzeptieren und institutionelle Reformen durchführen.
Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Länder der südeuropäischen Peripherie angesichts ihrer angespannten finanziellen Lage solche Strategien ohne finanzielle Unterstützung von außen umsetzen können. Die politische Unterstützung durch die Kern-Länder des Euro-Raumes scheint daher unbedingt erforderlich. Eine erfolgreiche Entwicklung der südlichen Peripherie Europas setzt somit das Zusammenspiel von drei Ebenen voraus:
- Eine Reformstrategie muss vor Ort entwickelt und von der Bevölkerung akzeptiert werden. Sie muss auf die genannten Erfolgsfaktoren fokussiert sein, um die Erholung der Inlands und Exportnachfrage voranzutreiben.
- Die Unterstützung auf Ebene der EU muss durch einen effizienteren, gezielteren und vermehrt auf Zukunftstechnologien gerichteten Mitteleinsatz in der südeuropäischen Peripherie erfolgen sowie durch eine unterstützende Geldpolitik und den Ausbau von Stabilisierungs- und Ausgleichsmechanismen.
- Die Stärkung der Inlandsnachfrage in den Kernländern der EU muss auf einer produktivitätsorientieren Lohnpolitik, der Verringerung der Bildungs- und Einkommensdifferenzen beruhen sowie Anreize setzen, um die Technologieführerschaft hinsichtlich Energieeffizienz und Einsatz alternativer Energiequellen anzustreben sowie Wohn- und Bürobauten rascher energetisch zu sanieren.
Die Studie ist eine Gemeinschaftsarbeit von Karl Aiginger, Peter Huber und Matthias Firgo.