"Normung verleiht Flügel" - Strategie fehlt
Das österreichische Normenwesen genießt nicht den besten Ruf. Sowohl an der Qualität als auch der Quantität stoßen sich KritikerInnen. Um den Normendschungel im Bauwesen zu durchforsten, hat Austrian Standards nun das "Dialogforum Bau" ins Leben gerufen. Denn: Normen sind keine Fesseln, sondern stärken die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, so die Überzeugung.
Gerade im Bauwesen wünscht man sich schon länger eine Vereinfachung und Reduktion der Normen. Zu viele, zu komplizierte und zu aufwendige Normen bremsen die Bautätigkeit und führen zu höheren Baukosten, so die Kritik. NEOS-Bautensprecher Gerald Loacker zum Beispiel: "In den letzten Jahren sind die Baukosten enorm gestiegen. Das liegt auch an der Flut von Normen und Vorschriften, die schon längst nicht mehr tragbar sind."
Normung als Chance
Die Problematik des Normen-"Dschungels" sieht auch Austrian Standard-Präsident Walter Barfuß, der vor allem eine klare nationale Strategie vermisst: "Was Österreich daher rasch braucht, ist eine rot-weiß-rote Normungsstrategie von internationalem Format“, erklärt er. Als Experte aus der Praxis ergänzt Stefan Ehrlich-Adám, Vize-Präsident von Austrian Standards und Geschäftsführer der EVVA Sicherheitstechnologie GmbH: "Normung muss als Export- und Wirtschaftsmotor begriffen und in eine gesamthafte wirtschaftspolitische Strategie eingebettet werden. Denn Normen sind Schnittstellen zwischen Unternehmertum und Innovation." Auch Elisabeth Stampfl-Blaha, Direktorin von Austrian Standards, ist sicher: „Es muss erkannt werden, dass Normung Flügel verleiht und keine Fessel ist."
Politik fehlt Strategie
Im neuen Gesetz, dass 2015 - ohne, wie eigentlich im Regierungsprogramm vereinbart, konkreter Strategie - erlassen wurde, bleiben jedenfalls viele Fragen offen, kritisiert Barfuß: "Es wäre vermutlich effizienter gewesen, wenn man Austrian Standards als die für Normung verantwortliche Organisation in die Gespräche eingebunden hätte. So müssen grundlegende Fragen, wie jene, ob die Mitgliedschaft Österreichs bei CEN und ISO und damit die Teilnahme Österreichs an der europäischen und internationalen Normung nach wie vor möglich ist, erst jetzt, nach dem Beschluss des Gesetzes, geklärt werden. Wir dürfen aber das internationale Normenwesen nicht anderen überlassen, sonst verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit." So hätten Erhebungen aus Dänemark ergeben, dass jene Unternehmen, die Normen aktiv einhalten und anwenden, Wertsteigerungen von bis zu 25 Prozent und einen Anstieg der Exportquote um bis zu 50 Prozent verzeichnen konnten.
Dialog gestartet
Austrian Standards hat nun als Konsequenz das "Dialogforum Bau" ins Leben gerufen um der Politik konkrete Vorschläge und Aufträge für eine Normungsstrategie im Bauwesen zu geben. In enger Kooperation mit der Bundesinnung Bau will man damit allen Beteiligten und Betroffenen die Möglichkeit bieten, über das Internet Vorschläge zur Vereinfachung von baurelevanten Normen einzubringen. Damit das „Dialogforum Bau Österreich – gemeinsam für klare und einfache Bauregeln“ kein "Quatschklub" wird, fahren die OrganisatorInnen einen konkreten Kurs nach fixen Zeitplan. Anfang 2017 sollen dann die Ergebnisse in einem Schlussbericht veröffentlicht werden. Die Auftaktveranstaltung in Wien wurde schon einmal gut angenommen: Rund hundert nationale und internationale Fachleute folgten der Einladung, sich am Normungsprozess aktiv zu beteiligen.