Mietrechtsreform: Zäh wie Kaugummi
Einmal mehr haben die Koalitionspartner in Österreich die Reform des Mietrechts aufgeschoben. Zahlreiche Punkte sind genauso offen wie eh und je. Dennoch geht man von einer Einigung bis Herbst aus.
Die lang erwartete und für Donnerstag, 4. August 2016, anberaumte Pressekonferenz mit SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher und ihrem ÖVP-Pendant Johann Singer wurde kurzfristig abgesagt.
Die Reform des Mietrechts zieht sich seit Jahren schon und will nicht und nicht gelingen. Während die SPÖ die Zu- und Abschläge zu den Miet-Richtwerten unbedingt ins Gesetz festgeschrieben wissen will und den „Wildwuchs" bei den Befristungen eindämmen will – neben 5 Jahren Mindestfrist (statt 3) soll nur einmal verlängert werden dürfen – geht es der ÖVP im Wesentlichen um die Abschaffung „langjähriger (vererbbarer) Privilegien im Mietrecht" und um Maßnahmen für mehr Mietergerechtigkeit sowie Investitionsanreize für umfassende Wohnhaussanierungen.
Im Herbst soll es so weit sein
Die SPÖ stellte jedoch am Donnerstag klar, dass für sie keine Eingriffe in Altverträge denkbar sind. Trotz dieser immer noch zahlreichen offenen Punkte will die Koalition bis Herbst endlich Einigkeit hergestellt haben über die lange geplante Novelle. Solange die SPÖ an der (im Alleingang) vor rund eineinhalb Jahren angedachten österreichweiten „Basismiete” von 5,50 Euro je Quadratmeter festhält, wird eine Einigung aber wohl noch lange in weiter Ferne bleiben.
Gerald Gollenz, Vize-Obmann des Fachverbandes der Immo- und Vermögenstreuhänder der WKÖ, findet deutliche Worte: Die SPÖ beschwöre das „Universalmietrecht” in neuer Verpackung herauf und fordere unterm Titel „Vereinfachung” in Wahrheit eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches – mit der Folge der Einbeziehung von Eigentumswohnungen. „Finger weg von den Eigentumswohnungen“, grollt Gollenz.
Bedrohte Eigenvorsorge
Die Folge wäre, dass zigtausende weitere Eigentumswohnungen den Reglementierungen des Mietrechtsgesetzes vollständig unterliegen sollen. „Neben dem Eingriff ins Eigentumsrecht würde das auch erhebliche Wertverluste bedeuten“, so Gollenz. Tausende Wohnungseigentümer hätten ihre Wohnung im guten Glauben erworben, dass sie über diese frei verfügen können und vermieten diese bis zur Selbstnutzung für Kinder oder als Pensionsvorsorge.
Gollenz: „Die Menschen haben beim Kauf einer Eigentumswohnung als Säule der Pensionsvorsorge – oft teilweise fremdfinanziert – darauf vertraut, dass die Wohnung beim Pensionsantritt ausbezahlt ist. Würden diese Wohnungen in den Vollanwendungsbereich fallen, verlängert sich der Zeitraum der Ausfinanzierung.” Damit werde auch die Bedeutung von privaten Vermietern und des privaten Wohnungsmarktes völlig verkannt.
„New Deal” lässt auf sich warten
Die Oppositionsparteien vermissen den bundespolitisch avisierten „New Deal” und sehen angesichts der geplatzten Verhandlungen ein „Trauerspiel” (O-Ton Maria Vassilakou, Vizebürgermeisterin Wiens). Die Arbeiterkammer (AK) wiederum forderte ein Ende der Blockade der Mietenreform, es wird gar der Ruf nach Justizminister Wolfgang Brandstetter laut, der energisch einschreiten möge.
Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) läuft naturgemäß Sturm gegen weitere Belastungen privater Vermieter, denn „die Mietrechtsnovellen der letzten zehn Jahre sind investitionsfeindliche Belastungen der Vermieter gewesen” (ÖVI-Präsident Georg Flödl).
Studie: „Teurer Wohnen"
Der Think Tank Agenda Austria hat auf dine Studie des Ökonomen Michael Christl und von Philipp Geymüller, Projektmanager der Denkfabrik, hingewiesen: „Teurer Wohnen: Wie Politik und Mietrecht den Wohnungsmarkt außer Kraft setzen". „Gegen immer höhere Mieten helfen allein ein größeres Angebot und weniger ungleiche Mietverträge”, so Christl. Dies müsse die Leitschnur für alle kommenden Änderungen sein. In der Studie schlägt Christl ganz konkrete Maßnahmen vor.
Sehr aufschlussreich zur Steuerreform 2015/2016 als Bremse des Investitionsmotors „Immobilie“ ist auch die Studie der Ökonomin Agnes Streissler-Führer im Auftrag des ÖVI, die im Frühjahr 2016 präsentiert wurde.
Die Privaten nicht verschrecken
NEOS-Politiker Gerald Loacker weist darauf hin, dass „die öffentliche Hand den Wohnungsbedarf nicht alleine decken kann, es braucht private Investoren, da bereits jetzt knapp 60 Prozent der Mietverhältnisse auf den kommunalen und subventionierten gemeinnützigen Sektor entfallen. Investoren brauchen aber vor allem Rechtsicherheit und Vertrauen in die Politik”.
Die Koalitionspläne zum Mietrecht würden das Angebot am Wohnungsmarkt weiter verringern und Leerstände erhöhen. Der heute präsentierte Verhandlungsstand mache ihm große Sorgen, so der NEOS-Bautensprecher weiter: „Schon die jetzigen drei Jahre Mindestbefristung lassen viele Vermieter zögern, ihr Eigentum am Markt anzubieten, weitere Einschränkungen würden zu noch mehr Wohnungsleerständen führen".