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Bringt das 1-2-3-Klimaticket die Verkehrswende?

Mit Bus, Straßenbahn und Zug fahren, aber zuvor kein Ticket lösen? Das ist im kleinsten EU-Staat Luxemburg seit 1. März diesen Jahres Normalität. Österreich will ab 2021 in Sachen Verkehrswende nachziehen – zwar nicht mit Gratis-Öffis, aber mit dem 1-2-3-Klimaticket.

Der Verkehr in Österreich muss klimaschonender werden. Ideen und Visionen für dieses Ziel gibt es viele, Diskussionen über deren Tauglichkeit stehen ihnen in der Anzahl um nichts nach. Man denke zum Beispiel nur an die Wasserstofftechnologie, die bis dato hierzulande nicht massentauglich ist, und es noch offen ist, ob sie es je sein wird. Die Regierung hat derweilen anderes im Blick und angekündigt, auf bereits Etabliertes zu setzen bzw. Bestehendes weiter auszubauen. Heißt: Der Individualverkehr soll vom Auto weg hin zu Bus, Bahn und Bim verschoben werden. Das "1-2-3-Klimaticket", eine neue Öffi-Karte, soll es möglich machen. Wie und ob es zur Erfolgsgeschichte werden kann - wir haben es uns angesehen.

Land der Pendler

Vor allem Pendler sollen mit dem Klimaticket dazu motiviert werden, vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen und so das Klima zu schonen. Im Hinblick auf die Zahlen eine nachvollziehbare Überlegung: Mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung hat ihren Arbeitsplatz außerhalb ihrer Wohngemeinde. Mit 13,4 Prozent fährt sogar fast ein Sechstel aller Pendler zur Arbeit in ein anderes Bundesland. Wenig überraschend: Die stärksten Pendlerbewegungen gibt es nach Wien, wo etwa jeder vierte Erwerbstätige aus einem anderen Bundesland anreist.

Startschwierigkeiten

Ein Jahresticket um nur einen Euro pro Tag, also 365 Euro für ein Bundesland, 730 Euro für zwei Bundesländer und 1095 Euro für ganz Österreich. So die Grundidee des 1-2-3-Klimatickets. Ob dieser Einheitstarif tatsächlich bundesweit so umgesetzt werden kann, scheint noch nicht ganz fix. Der aktuelle Status des Projekts: Es ist kompliziert. Die Einführung des Supernetztickets im ersten Halbjahr 2021, wie in der Vergangenheit vorgesehen, dürfte jedenfalls vom Tisch sein. Die unterschiedliche Verkehrsträger, die Verkehrsverbünde (derzeit sieben an der Zahl) und die finanzierenden Gebietskörperschaften, also Bund, Länder und Gemeinden, verhandeln noch. Es geht zum Beispiel um tarifliche Sonderregelungen. Denn je nach Wohnort würden Pendler nicht unbedingt vom Klimaticket profitieren. Jahres-, Monats- und Wochennetzkarten vom und in den sogenannten Wiener Speckgürtel (etwa nach Perchtoldsdorf, Purkersdorf, Vösendorf) würden sogar teurer werden. Nicht einigen konnte man sich bislang auf eine faire Lösung für burgenländische Wien-Pendler, die auf ihrem Weg nach Wien Niederösterreich passieren. Sie müssten das teurere Bundesticket um 1.095 Euro lösen statt einer Netzkarte für zwei Zonen. Im Ende April 2021 veröffentlichten "Österreichischen Aufbau- und Resilienzplan 2020-2026" heißt es nun, man wolle das Problem lösen, indem für die Ostregion zwei regionale Netztarife (Niederösterreich und Burgenland / Wien) geschaffen werden. Das würde bedeuten, dass Ticketbesitzer um 365 Euro im Jahr vom Südburgenland über Eisenstadt bis nach Amstetten fahren könnten und umgekehrt.

Im Stop-and-go zum Ticketstart

Die Verhandlungen sind - wenig überraschend - zäh. Bereits in den vergangenen Jahren gab es Startversuche für eine Österreich-Karte, alle mit bekanntem Ende. Zum Stottern und schließlich zum Erliegen brachten sie die Einnahmenaufteilung und der damit einhergehende Einnahmenausfall beim größten Verkehrsträger im System, den ÖBB. Auch dieses Mal sorgt die Finanzierung für Kritik. 240 Millionen Euro sind laut Infrastrukturministerin Gewessler gesichert. Im März 2021 wurden die notwendigen gesetzlichen Grundlagen dafürgeschaffen.Experten rechnen allerdings mit einem Bedarf an Fördermitteln in Milliardenhöhe. Ein Fass ohne Boden? Kritiker bejahen, Befürworter verweisen auf den Erfolg der Jahreskarten in Vorarlberg und Wien, die insgesamt zu einem Anstieg der Ticketkäufe führten.

Das Angebot muss stimmen

Nebst dem Preis wird auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, abseits der Hauptverkehrswege, für den Erfolg des Klimatickets ausschlaggebend sein. Experten verweisen darauf, dass es nicht unbedingt die Ticketpreise sind, die Pendler von der Öffi-Nutzung abhalten, sondern die Verfügbarkeit von Zug und Bus. Denn was in Wien bereits funktioniert, lässt sich noch lange nicht auf ländliche Regionen ummünzen. Dortige öffentliche Verkehrsadern leiden seit Jahren unter Hypoplasie und stellen keine echte Alternative zum Auto dar. Soll das 1-2-3-Ticket österreichweit ein Erfolg werden, braucht es hier in naher Zukunft ein qualitatives Angebot, heißt, die Infrastruktur muss massiv ausgebaut werden. Ob das tatsächlich geschehen wird, hängt vom politischen Willen ab, das Budget hierfür demenstprechend bereitzustellen.

Klimaticket-Tarife

Das neue Klimaticket sollin seiner Vollversion 1.095 Euro kosten. Davon profitieren würden jedenfalls Nutzer der ÖBB-Österreichcard (Classic) um derzeit 1.944 Euro - die Einführung des neuen Tickets bedeutet für sie ein deutlich größeres Angebot um deutlich weniger Geld. Für Jugendliche unter 26 Jahren und für Senioren über 64 Jahren ist ein eigener Tarif geplant, der um 25 Prozent billiger sein soll, also 820 Euro kosten wird. Um 109 Euro sollen Besitzer eines Tickets ein Zusatzticket für bis zu vier mitreisende Kinder unter 15 Jahren kaufen können.

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Datum: 17.06.2021
Kompetenz: Sonstiges

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