© Andreas Gruhl

Merit Order: Teures Gas treibt Strompreise

Ist Ihnen der Begriff "Merit Order" in letzter Zeit untergekommen? Er wird aktuell sehr häufig im Zusammenhang mit den Strompreisen genannt, die sich in schwindelnden Höhen befinden. Was hinter dem Merit-Order-Modell steckt und welche Auswirkungen es hat.

Auf das Wesentliche heruntergebrochen bedeutet das Merit-Order-Prinizip: Das teuerste Kraftwerk bestimmt den Strompreis. In "normalen" Zeiten stellt diese Art der Preisfindung zum einen sicher, dass für die Anbieter der höchstmögliche Gewinn erzielt wird, zum anderen, dass der Strompreis auf niedrigem Niveau bleibt. Aktuell geht diese Rechnung nicht auf, zumindest nicht für alle. Während Stromanbieter sich über enorme Profite freuen, zahlen Endkunden ordentlich drauf.

Warum Strom jetzt so teuer ist

In Österreich wird der größte Teil des Stroms (2020 waren es 81 Prozent) aus erneuerbarer Energien gewonnen - dank Wasserkraft, Photovoltaik, Windrädern und Biomasseanlagen. Nun sitzen wir 2022 nicht am Trockenen, die Sonne scheint, auch der Wind lässt uns nicht in Stich - warum zahlen wir also jetzt um ein Vielfaches mehr als noch vor einem Jahr? Die schlichte Antwort: Weil Strom-und Gasmarkt zusammenhängen.

Österreich kann in den Wintermonaten seinen Strombedarf nicht vollständig mit erneuerbaren Energien decken, weil z. B. weniger Schmelzwasser durch die Wasserkraftwerke fließt. Das heißt, es müssen im Winter vermehrt Gaskraftwerke zur Stromerzeugung herangezogen werden. 2022 kam in Österreich sogar überdurchschnittlich viel Strom aus Gaskraftwerken, unter anderem aufgrund ungewöhnlich niedriger Niederschlagsmengen, so die Österreichische Energieagentur. Das ist grundsätzlich kein Problem, wären da aktuell nicht die Lieferengpässe und Handelsstreitigkeiten mit Russland, die die Gaspreise auf ein Rekordhoch getrieben haben. In weiterer Folge wird der Strom, der in den Gaskraftwerken produziert wird, ebenfalls teurer.

© Österreichische Energieagentur

 

Merit-Order: Angebot bestimmt Preis

Wie wirkt sich das teure Gas nun auf den Strommarkt aus? Die Preisbildung wird hier wie in jedem Markt von Angebot und Nachfrage beeinflusst. Eine Besonderheit des Strommarkts: Die Merit-Order-Kurve bestimmt den Preis. Das funktioniert so: Kraftwerke, die Strom günstig produzieren können, werden gemäß Merit-Order als erstes zur Bedienung der Nachfrage herangezogen. Das sind z. B. Photovoltaik- und Windkraftwerke. Sie verdrängen die teureren Kohle, Erdagas- und Öl-Kraftwerke in der Merit-Order weiter nach hinten und sorgen so für niedrigere Preise. Im weiteren Verlauf werden so lange teurere Kraftwerke hinzugenommen, bis der prognostizierte Bedarf gedeckt ist. Am Ende richtet sich der Preis nach jenem Kraftwerk, das gerade noch einen Zuschlag erhält, weil es zur Deckung der Nachfrage nötig ist. Aktuelll sind das Gaskraftwerke. Zur Veranschaulichung: Wenn 99 Prozent des Stromes, der für die Versorgung notwendig ist, 6ct/KWh kostet, das letzte Prozent aber 60ct/KWh, dann kostet nach der Merit-Order der gesamte Strom 60 ct/KWh.

Nicht Merit-Order das Problem, sondern fossile Energie

Was also tun? Lang- und mittelfristig gesehen ist die Antwort klar: erneuerbare Energien ausbauen. Denn hätten wir so viele "grüne" Kraftwerke, dass auch das letzte Kraftwerk, das zur Deckung des Strombedarfs benötigt wird, ein Erneuerbaren-Kraftwerk ist, dann wären die Kosten niedriger. Die teuren fossile Kraftwerke würden nicht benötigt und vom Markt verdrängt. Die Windkraftproduktion war dieses Jahr bereits überdurchschnittlich hoch, aber bislang ist der Windkraftausbau in Österreich (übrigens anders als in Deutschland) noch nicht so weit fortgeschritten, dass ein dämpfender Effekt auf den Strompreis spürbar wäre.

Wie setzt sich der Strompreis aktuell zusammen?

Die Endkundenpreise für Strom setzten sich zusammen aus dem Strom-Großhandelspreis (der sich aktuell auf Rekordkurs befindet), Netzgebühren, Steuern und Abgaben, z. B. Umsatzsteuer und Ökostromkosten. 2022 entfallen in österreichischen Haushalte aufgrund der hohen Energiepreise die Ökostromkosten, die sich aus der Ökostrom-Pauschale und dem Ökostromförderbeitrag zusammensetzen. Zudem wird die Elektrizitätsabgabe befristet bis 30. Juni 2023 auf das durch die EU-Energiesteuerrichtlinie festgelegte Minimum reduziert und beträgt damit 0,4 Prozent. Damit entfallen laut Österreichischer Energieagentur wesentliche Bestandteile der Stromrechnung bei Haushaltskunden, ein durchschnittlicher Haushalt wird um rund 110 Euro im Jahr entlastet.

AutorIn:
Datum: 04.08.2022
Kompetenz: Energie

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