Eigentumswohnungen - Großer Ansturm dürfte vorbei sein
Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft sieht am Wiener Eigentumsmarkt keine Preisblasenbildung aber ruhigere Zeiten kommen: "Wir rechnen zwar nicht mit einem Fallen der Preise, wohl aber mit einem Abflachen der Preiskurve".
Die anhaltende Verunsicherung durch die Finanzkrise sowie die ungewöhnlich niedrigen Sparzinsen und die Angst vor einer Geldentwertung machten im Jahr 2012 Wohnimmobilien zur konkurrenzlos beliebtesten Anlageform, berichtet der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Werterhaltung und Sicherheit gelten nach wie vor als vorrangige Motive, in Immobilien zu investieren. "Wohnimmobilien werden daher in Ermangelung anderer sicherer Veranlagungsalternativen sowohl bei Privaten als auch bei Institutionellen weiterhin eine wichtige Rolle spielen", sagt ÖVI-Vorstand Margret Funk. Sie sieht Wohnimmobilien weiterhin im Trend, da insbesondere in Ballungsräumen bedingt durch die demographische Entwicklung weiterhin von einer wachsenden Wohnungsnachfrage auszugehen ist.
Funk warnt aber vor der Kurzsichtigkeit mancher Kaufentscheidungen: "Immobilien zu besitzen ist zu wenig. Immobilien müssen auch bewirtschaftet werden, hier sind Spezialisten und Marktkenner gefragt."
Eigentumsmarkt mit dynamischer Entwicklung
Kontinuierliche Preissteigerungen gab es am Eigentumswohnungsmarkt bedingt durch die hohe Nachfrage bei gleichzeitig begrenztem Angebot. Besonders dynamisch haben sich die Preise in urbanen Ballungsräumen entwickelt, berichtet ÖVI-Vorstand Andreas Wollein.
"Auch wenn die Preisdynamik am Wiener Eigentumsmarkt in den letzten Jahren beachtlich war, sehen wir hier keine Gefahr einer Preisblasenbildung gegeben, nicht zuletzt deshalb, als die Finanzierung weitgehend über Eigenmittel erfolgt", so Wollein. Ausgehend von den Angebotspreisen wurden 2012 in Wien gebrauchte Eigentumswohnungen um durchschnittlich (Median) 2.700 Euro/m2, neue Eigentumswohnungen im Durchschnitt um 3.800 Euro/m2 gehandelt.
"Gemessen am absoluten Preisniveau schließt Wien damit langsam an das Preisniveau vergleichbarer Städte im benachbarten Ausland auf, wie auch ein Vergleich mit dem Kaufpreisniveau deutscher Städte zeigt", erklärt Wollein.
Preiskurve soll sich abflachen
Was die Preisentwicklung in der nächsten Zukunft betrifft, sehen die ÖVI-Experten etwas ruhigeren Zeiten entgegen: "Wir rechnen zwar nicht mit einem Fallen der Preise, wohl aber mit einem Abflachen der Preiskurve", meint Andreas Wollein. "Das Interesse an Immobilien ist ungebrochen, aber der große Ansturm, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben, dürfte vorüber sein", wagt Magret Funk einen Ausblick.
Landeshauptstädte: Preisanstieg moderat
Die Preise haben auch in den Landeshauptstädten angezogen, scheinen sich aber langsam auf hohem Niveau einzupendeln. Auch in Graz hat sich "der Preisanstieg im Vergleich zu den Vorjahren etwas eingebremst und entwickelt sich moderater als die Jahre zuvor", berichtet die ÖVI-Landesstellenleiterin Patricia Reisinger. Nach den Preisanstiegen der letzten Jahre dürfte auch am Salzburger Wohnungsmarkt die Preiskurve wieder etwas abflachen. "Im niedrigen und durchschnittlichen Preissegment (Sekundärmarkt) haben wir in guten Lagen weiterhin einen leichten Anstieg zu verzeichnen, in mäßigen Lagen sind die Preise stabil, in wenig gefragten (schlechten) Lagen sogar rückläufig", fasst Christian Schnellinger, ÖVI-Landesstellenleiter in Salzburg zusammen.
"Wurde vor einem Jahr noch alles gekauft, was im Grundbuch eintragungsfähig ist, so ist zwischenzeitig doch etwas Beruhigung am Markt eingekehrt", berichtet Ambros Hiller, ÖVI Landesstellenleiter aus Vorarlberg. "Die Nachfrage ist nach wie vor gut, aber längst nicht mehr in dem Ausmaß, wie dies vor einem Jahr noch der Fall war." Insbesondere ältere Immobilien mit Instandhaltungsrückstau oder schlecht ausgestattete Immobilien sind nur mehr schwer verkäuflich. Während im Luxussegment noch eine Preisbewegung nach oben stattfindet, haben sich für Standardimmobilien die Preise mittlerweile auf hohem Niveau eingependelt, gibt sich Hiller überzeugt. Massive Preissteigerungen, wie sie von diversen Internetplattformen nach wie vor vermeldet werden, sieht Ambros Hiller in der Praxis nicht bestätigt.
Moderater Anstieg bei Mieten
Die Mietentwicklung zeigt sich von der Preisdynamik am Eigentumsmarkt weitgehend entkoppelt. Vergleicht man die Entwicklung der Eigentumspreise mit der Entwicklung der Mieten bei Neuabschlüssen, so tut sich eine große Schere auf. Während die Preise für Eigentumswohnungen in Wien innerhalb von zwölf Jahren eine Steigerung von 80 Prozent erfahren haben, sind die Mieten (Angebotsmieten) im gleichen Zeitraum um 25 Prozent gestiegen, sagt ÖVI-Vizepräsidentin Elisabeth Rohr.
Rohr führt die Preisanstiege bei den Mieten auf die starke Zunahme an Mietwohnungen außerhalb der MRG-Preisbindung und einer sukzessiven Verschiebung zu Wohnungen mit höherem Wohnwert zurück.
"Verbunden mit den gestiegenen Ansprüchen, die wir heute ans Wohnen stellen, sind umfangreiche Investitionen in die Ausstattung und Qualität der Wohnungen und der Gebäude verbunden, was sich an der deutlichen Qualitätssteigerung der heute am Markt angebotenen Wohnungen zeigt. Um einen entsprechenden Mietpreis zu erzielen, muss das Gesamtpaket stimmig sein: Die Grundrisse, der Zustand und Ausstattungen der Wohnungen, aber auch des Gebäudes bis hin zur Umgebung und der Bewohnerstruktur des Hauses", differenziert Rohr. "Kategorie A ist heute Standard - mit den mietrechtlichen Ausstattungskategorien A bis D lässt sich der Neuvermietungsmarkt schlichtweg nicht mehr abbilden". Auch der Mietmarkt muss sich an einem Äquivalenzprinzip von Leistung und Gegenleistung orientieren können."
Mietenkorridor in Wien, frei vereinbarter Mietzins bei Neuvermietung, (Quelle: ÖVI)
Am Wiener Mietmarkt ist "ein Sog in Richtung Stadt festzustellen", so Rohr. "Vor allem innerstädtische Bezirke und kleinere Wohneinheiten sind sehr begehrt." Im Hinblick auf die Parkpickerldiskussion werden vor allem Wohnungen, die mit Stellplätzen oder Garagen ausgestattet sind, heftig nachgefragt.
Mietrecht: Holzapfel fordert Systemwechsel
"An den Haaren herbeigezogen ist die aufgeflammte Diskussion über eine Deckelung der Richtwertmieten, denn diese sind über die letzten Jahre hinweg sogar unter der Inflationsrate gestiegen", so ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel."Der Anstieg der Richtwertmieten lag bei Neuvermietungen zwischen 2005 und 2011 durchschnittlich bei einer jährlichen Steigerung von 1,8 Prozent, womit der Anstieg damit sogar unter der Inflationsrate lag", zitiert Holzapfel eine Studie des Wifo, die von der AK beauftragt wurde.
Das österreichische Mietrecht benötigt einen grundlegenden Systemwechsel, fordert Holzapfel. "Mit weiteren Mietzinsdeckelungsvorschriften ist weder Mietern noch Vermietern geholfen. Zwangsmaßnahmen haben vor allem noch nie zu einer Verbesserung oder Ausweitung des dringend notwendigen Wohnungsangebots geführt. Welcher Bäcker würde noch ein Vollkornbrot anbieten, wenn er dies nur zum gleichen Preis wie ein Mischbrot verkaufen dürfte."