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Im Gespräch: „Leistbares Wohnen, wie ich es verstehe“

Wolfgang P. Stabauer von der Öko-Wohnbau hat seinen ganz eigenen Kopf: Wie er das Problem des teuren Wohnraumes angehen will und warum er gemeinsam mit der wert.bau Errichtungs GmbH dafür das Modell all-in 99 entwickelt hat, erklärt er im Wohnnet Business-Talk.

Stabauers Philosophie? Dem Preisanstieg am Grundstücksmarkt dem Boden abgraben – dabei aber nachhaltig, finanziell attraktiv und möglichst ökologisch bauen.

Wohnnet Business: Herr Stabauer, an der Frage nach Leistbarem Wohnen scheiden sich die Geister: Wie lautet ihre Definition?

Wolfgang P. Stabauer, geschäftsführender Gesellschafter der Öko-Wohnbau GmbH: Im Gegensatz zur Politik, die dabei traditionell den möglichst billig produzierten Sozialbau im Kopf hat, haben wir vor drei Jahren die Köpfe zusammen gesteckt und neue Wege eingeschlagen. Unsere Antwort: Ein zukunftsfittes, preisbremsendes Baurechtsmodell ohne kostspielige Grundstückskäufe. Das mietfreundlich ist, gleichzeitig aber auch den Investoren mehr als gerecht wird. Dazu fahren wir einen hohen ökologischen Qualitätslevel über einen standardisierten Massivholzbau, ohne Schnörkel und bewilligungsfeindlichen Extras. Basierend auf einer deutschen Wohnstudie mit Tausenden Teilnehmern wurde ein auf die Bedürfnisse von Erstmietern, Jungfamilien, aber auch älteren Semestern zugeschnittenes Wohlfühlraumkonzept hineingepackt. Über 100 vergebene Wohnungen zeigen, dass wir etwas richtig gemacht haben müssen.

Wohnnet Business: Was machen die anderen falsch? Oder anders formuliert: Was stört Sie am klassischen Fördermodellen der öffentlichen Hand?

Stabauer: Eigentlich gar nichts. Es zählt zur Grundaufgabe der Politik und ihrer Partner in der Bauwirtschaft, für sozial Schwächere Wohnbau herzustellen. Das Wie ist aber zu hinterfragen: Die Zeit der großen Bausünden ist zwar vorbei, den Umstieg auf Holz hat man mit Ausnahme Vorarlbergs aber leider noch nicht geschafft. Die Beton- und Ziegellobby leistet hier noch Widerstand. Würde das Beispiel des Ländles Schule machen, würden wir auch am öko-sozialen Sektor wie beim raumklimafreundlichen Leistbaren Wohnen weltweit unter den führenden Nationen rangieren. Das ist aber Wunschdenken. Was mich grundsätzlich stört: Dass man finanziell schwächeren Menschen zumutet, schlechter zu wohnen.

Wohnnet Business: Erklären Sie bitte ihr Gegenmodell…

Stabauer: Wie schon erwähnt haben wir Wohnbedürfnisse analysiert. Also: Wie wohnen Menschen in einer 45, einer 50 oder 70 Quadratmeter großen Wohnung? Die Ergebnisse haben wir gemeinsam mit einem Holzbauspezialisten aus Grieskirchen optimiert. Binnen einen Jahres wurde im Team eine 12 und eine 21 Einheiten große, systematisierte Anlage geplant. Alle Wohnungen sind mit Bad und Komplettküche ausgestattet, der Mieter kann mit Sack und Pack gleich einziehen.

all-in99-Wohnkonzept: standardisiert, praktisch, leistbar  - ready to move in. © ÖKO-Wohnbau

Wohnnet Business: Ihr Mitbewerb wird sagen: Das kann ich auch…

Stabauer: Unsere Kollegen müssen aber ganz anders kalkulieren, um in die Gewinnzone zu kommen. Was Investoren erst einmal bezahlen müssen – und sich zu guter Letzt auf die Mieten niederschlägt. Der Grund: die selbstverschuldete Preistreiberei am Grundstücksmarkt und die damit unmittelbar verbundenen Nebenkosten. Das alles haben wir nicht. Warum? Weil wir auf ein Baurechtsmodell setzen, mit allen steuerschonenden Vorteilen. Gepachtet wird auf 99 Jahre. Zusammengefasst: Eine systematisierte Holzmassivbauweise, ökologisch hochwertiger Wohnraum, der für viele leistbar und noch dazu sofort bezugsfertig ist – das ist unser Angebot.

Wohnnet Business: Das ging auch sofort in die Köpfe der Käufer?

Stabauer: Bei den Wenigsten. Wir sind hier Pioniere am Bau. Und wenn man die Österreicher kennt, weiß man, dass wir zunächst auf sehr großes Unverständnis gestoßen sind. Nicht nur bei potenziellen Käufern, auch bei unsern Vertriebspartnern. Am Anfang war sehr viel Erklärungsarbeit notwendig, aber im Gespräch können wir in der Regel die Bedenken von Investoren ausräumen.

Wohnnet Business: Aber die Wohnung gehört mir nicht!

Stabauer: Das hören wir auch immer wieder. Freilich gehört sie dem Investor, steuerlich abschreibbar –über drei Generationen, und ebenso lange erhalte ich wertgesicherte Mieterträge. Und: Wenn der Baurechtsvertrag ausläuft, ist bereits heute festgelegt, dass ein Sachverständiger den Verkehrswert schätzen muss. Je nach Anbieter bekommt der aktuelle Eigentümer eine Abschlagzahlung zwischen 25 und 50 Prozent des Verkaufswertes der Wohnung. Das heißt: Ich habe steuerlichen Vorteile, laufende Mieteinnahmen und bekomme nach 99 Jahren noch eine Abschlagszahlung. Wird zwischenzeitlich investiert, werden – so die Erfahrungswerte aus Deutschland – die Baurechtverträge verlängert beziehungsweise neu abgeschlossen. Und für alle, die auf Nummer sicher gehen wollen, haben wir Exit-Szenarien entwickelt.

Wohnnet Business: Und wenn die Grund und Boden-Frage erklärt ist?

Stabauer: Wer Geld auf dem Sparbuch liegen hat, bekommt 0,125 Prozent an Zinsen. Wir bieten vier Prozent. Nebenbei spart man wie gesagt, noch ein bisschen Lohn- und Einkommenssteuer. Wir bedienen uns dabei des Produktes der Vorsorgewohnung. Seine klassische Version hat ja in den letzten zehn Jahren einen großen Boom erlebt, ist aber jetzt rückläufig. Wie Sie wissen, explodieren gerade die Preise. Bei uns bekommen sie die Wohnung um ebenfalls standardisierte 99.000 Euro. Mit allen Nebenkosten müssen Sie nicht mehr als 120.000 Euro investieren. Zugegeben: Nicht im zentralen Wien. Aber wir planen und bauen in Lagen, wo die Bevölkerung wächst und die Kommunen sich über jedes Neubauprojekt freuen. Wir haben keinen Leerstand. Spätestens drei Wochen, nachdem wir mit den Vermietungen begonnen haben, ist jeder Wohnblock voll und schon wieder weg vom Markt.

all-in99: Wohnblöcke im oststeirischen Hartberg. © ÖKO-Wohnbau

Wohnnet Business: In welchem Bereich bewegen sich die Mieten?

Stabauer: In Hartberg beispielsweise sind es 6,36 Euro netto kalt. Das heißt: Mit Betriebskosten und mit Mehrwertsteuer bin ich auf 9,60 Euro warm; also unter 10 Euro. Das ist auch der Kern unserer Markenbotschaft. All-in 99 heißt: 99 Jahre Baurecht. Die Wohnung kostet 99.000 Euro. Und um 9,90 Euro kann der Mieter darin wohnen.

Wohnnet Business: Welches Feedback bekommen Sie von den Mietern?

Stabauer: Uns wird bestätigt, dass die Wohnungen praktisch sind. Die älteren Menschen sind froh, über den barrierefreien Alltag in den eigenen vier Wänden. Die Jungen sagen uns, dass sie weniger investieren müssen, da auch die Küche komplett eingerichtet ist. Diese Feedback motiviert uns auch: Wir feilen immer wieder an Kleinigkeiten.

Wohnnet Business: Wo sind sie mit all-in99 vor Ort? Und wo wollen sie noch bauen?

Stabauer: Angefangen haben wir in Bad Ischl. Dann kam Goisern, Stadt Haag, Hartberg. Auch in Vöcklabruck und Adlwang in Oberösterreich haben wir schon gebaut. Jetzt sind wir gerade im Vertrieb mit Klagenfurt. Und wir prüfen Linz, Graz und auch den Wiener Raum.

Wohnnet Business: Die Städte locken?

Stabauer: Unser Plan ist es, in den Speckgürtel der großen Städte zu gehen. Klagenfurt ist unser erstes Beispiel. Dort sind einen Euro netto mehr an Kaltmiete fällig, dafür gibt es eine Tiefgarage. Im Raum Graz sind wir auf der Suche, wir wollen aber auch nach Linz und Wien. Entscheidend wird sein, wo wir passende Grundbesitzer finden. Gezielt wenden wir uns an Kommunen, bäuerliche Betriebe, die Bundesforste – aber auch an Stifte und Klöster.

Wohnnet Business: Herr Stabauer. Danke für das Gespräch!

Hintergrund: Modell „all-in 99“

Leistbares Wohnen auf Basis des Baurechtsmodells; ohne öffentliche Mittel und Fördergelder. In Kooperation mit dem Holzbaubüro Pointinger aus Grieskirchen werden ökologische und nachhaltige Wohnbauten in Massivholz-Bauweise mit modernen 2- oder 3-Zimmer-Wohnungen errichtet. Mit einem monatlichen Aufwand von 250 bis 300 Euro – über 20 Jahre kann „Eigentum auf 99 Jahre“ erworben werden. Sämtliche Nettomieteinnahmen werden in einem sogenannten Mietenpool gesammelt und auf alle Mitglieder des Pools gleichmäßig verteilt. Weitere Infos unter: https://www.oeko-wohnbau.at

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Datum: 04.12.2018

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