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Zementindustrie: Bilanz

Trotz schwächelnder Konjunkturentwicklung zieht die Zementindustrie positive Bilanz: Mit Entwicklung von kundenorientierten Speziallösungen sollen die Einsatzmöglichkeiten von Zement und Beton erweitert und neue Absatzmärkte erschlossen werden.

Gleicher Absatz – weniger Umsatz, lautet die Kurzfassung der Jahresbilanz 2012 für die heimische Zementindustrie. Mit einem Gesamtvolumen von 4,46 Millionen Tonnen ist die Zementproduktion im vergangenen Jahr gegenüber den Werten von 2011 (4,43 Millionen Tonnen) sogar leicht gestiegen, der Umsatz ist im selben Zeitraum aber um 4,7 Prozent auf 375 Millionen Euro zurückgegangen.

Importe drücken Preis

Ein Grund dafür liegt laut Rudolf Zrost, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ), in einer Sortenverschiebung hin zu kostengünstigeren Zementprodukten.Als zweiten, wesentlich schwerwiegenderen Grund macht Zrost die Wettbewerbsverzerrung im gesamteuropäischen Markt namhaft: „Importe aus Italien, Deutschland und dem osteuropäischen Raum drücken den Preis für die heimischen Zementproduzenten (Grafik 1).


Vermeintlicher Bauaufschwung ist Wetterbericht
Die überdurchschnittliche gute Bauproduktion im Jahr 2012 – immerhin ein Plus von 6 Prozent bei den Bauinvestitionen – kam natürlich auch der Zementindustrie zugute, wodurch sie ihre Produktions- und Absatzmengen des Jahres 2011 halten bzw. leicht erhöhen konnte. Zrost warnt aber vor zu viel Euphorie: „Dieser vermeintliche Aufschwung der Bauwirtschaft ist zum überwiegenden Teil ein Wetterbericht. Durch den milden Winter konnten bereits im Jänner, Februar 2012 wieder die Bauarbeiten aufgenommen werden, gleichzeitig hatten wir einen extrem warmen und langen Herbst, wodurch teilweise bis kurz vor Weihnachten gebaut wurde. Eine um drei bis vier Monate verlängerte Bausaison bringt natürlich auch wesentlich mehr Bauvolumen.“ Das Wachstum in der Bauwirtschaft ist demzufolge in erster Linie die Folge der Verschiebung von Bautätigkeiten von einer Saison auf die andere.

Immerhin: Kleines Wachstum erwartet

Insgesamt sieht Zrost aber nur ein leichtes Wachstum des Bausektors, das sich realistisch betrachtet an das allgemeine Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent von 2011 auf 2012 annähert. So wird von den Wirtschaftsexperten für 2013 – auch infolge des späten Saisonstarts – eine Zunahme der Bauinvestitionen von lediglich 0,6 Prozent prognostiziert. Ein Zuwachs von über einem Prozent ist frühestens ab 2014 zu erwarten (Grafik 2).


Tiefbau – Hochbau - Wohnungsbau
Im vergangenen Jahr verzeichnete die Bauwirtschaft Zuwächse in allen Bereichen. Der Tiefbau konnte um 4,1 Prozentpunkte zulegen, „allerdings vom niedrigsten Ausgangsniveau seit rund zwei Jahrzehnten“, wie Zrost relativiert. Wesentlich besser erging es dahingegen dem Hochbau, der mit einem Plus von 7,7 Prozent deutlich über dem Tiefbau liegt. Entscheidend für die Entwicklung der Hochbaukonjunktur ist der Wohnungsbau, der im vergangenen Jahr auch deutlich vom Sanierungsbereich getragen war. Wohingegen die Neubauraten dem Bedarf deutlich hinterher hinkt.

„Wenn wir in den Städten eine Wohnungsnot vermeiden wollen, muss der Wohnbau in Zukunft deutlich angekurbelt werden“, so Zrost. Die Statistik gibt ihm Recht: Mit einer Bewilligungsrate von 37.654 Wohnungen laut Statistik Austria wurden 2012 um 4.555 weniger Wohnungen gebaut als in den beiden Jahren davor. Für 2013 rechnen die Experten der Statistik Austria mit rund 40.000 Fertigstellungen im Wohnbau. Der damit um mindestens 10.000 Einheiten unter dem tatsächlichen Bedarf von über 50.000 neuen Wohnungen im Jahr liegt. Eindeutiger Beweis für die Verknappung des Wohnungsmarktes im urbanen Raum sind die weiterhin rasant ansteigenden Kauf- und Mietpreise.


Innovations- und Forschungsoffensive
Innovative Produktlösungen und maßgeschneiderte Speziallösungen sind für VÖZ-Geschäftsführer Felix Friembichler der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg für die Zement- und Betonindustrie. Vor diesem Hintergrund wurde im vergangenen Jahr die Smart Minerals GmbH gegründet. Als gemeinsame Tochter von VÖZ und TU-Wien soll sie Wissenschaft und Wirtschaft näher zusammenbringen. Praxisrelevante Forschung und Ausbildung sowie eine optimale Nutzung der Forschungsergebnisse durch die Nähe zur Bauwirtschaft stehen im Mittelpunkt der Kooperation.

Forschung Energiespeicher Beton
Ein Langzeitforschungsprojekt ist beispielsweise das Thema Energiespeicherbeton. Die Kombination der Energiespeicherfähigkeit mit der thermischen Aktivierung des Massebaustoffes Betons eröffnet völlig neue Anwendungsmöglichkeiten. „Gebäude, die mit dieser Technologie ausgestattet sind, haben den Vorteil, dass sie sehr sparsam und daher mit alternativen Energieträgern betrieben werden können“, erläutert Friembichler. Durch den Einsatz von Solar- oder Photovoltaikanlagen können sie mehrere Wochen ohne Fremdenergieeintrag auskommen und weisen damit quasi Nullenergiestandard auf.

Einziger Nachteil: Aktivierte Decken haben eine schallharte Oberfläche, was sich nachteilig auf die Raumakustik auswirkt. „Deshalb untersuchen wir derzeit die Möglichkeiten des Einbaus von Schalldämmelementen aus mineralischen Baustoffen. Mit maximal einem Drittel der Deckenfläche sollte die Raumakustik wesentlich verbessert werden können“, stellt Friembichler erste Forschungsergebnisse in Aussicht.


Harmonisierung der europäischen Wirtschafts-, Energie- und Steuerpolitik
Im Hinblick auf Umweltschutz und Ressourcenschonung besitzt die Österreichische Zementindustrie Vorbildcharakter. „Die heimischen Zementwerke gehören schon heute zu den zu den CO2-effizientesten der Welt“, so Zrost. Gleichzeitig aber wird im jüngst von der EU veröffentlichten Grünbuch bis 2030 eine Emissionsminderung um 40 Prozent angepeilt, obwohl sich Großemittenten wie die USA, Kanada oder Russland ihrer Verpflichtungen vollständig entziehen.


Durch den Einsatz von rund 300.000 Tonnen Ersatzbrennstoffen – sprich Abfällen – spart die heimische Zementindustrie Heizöl und Kohle als Energieträger bei der Produktion ein. Ein wesentlicher Beitrag zur Müllvermeidung und zum sparsamen Einsatz von endlichen Ressourcen. „Im Zuge der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes eine höchst sinnvolle Maßnahme. Mit rund acht Euro Altlastensanierungsbeitrag pro Tonne Ersatzbrennstoff werden wir dafür aber vom Staat bestraft“, kritisiert Rudolf Zrost die zusätzliche Kostenbelastung, die beispielsweise im Nachbarland Deutschland nicht anfällt und daher einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil für die heimischen Unternehmen mit sich bringt.


Allein im vergangenen Jahr machten die Altlastensanierungs-Beiträge rund 2,4 Millionen Euro aus. Dazu kamen noch rund 2,5 Millionen Euro Ökostromkosten und eine weitere Million an andern Energiesteuern. „Schon jetzt macht diese Kostenbelastung mehr als fünf Prozent des Nettoproduktionswertes der Branche aus“, kritisiert Zrost. Im Vergleich mit Österreich hat die deutsche Zementindustrie nicht einmal halb so viele Belastungen zu tragen. Deshalb fordert die Österreichische Zementindustrie dringend die Harmonisierung der europäischen Wirtschafts-, Energie- und Steuerpolitik. Nur dann sind zumindest europaweit faire Wettbewerbsbedingungen gegeben (Grafiken 3,4). (Tom Cervinka)

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Datum: 05.07.2013

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