planlos Award 2017: Sieger ist die Stadt Graz
Er ist sowas wie die Goldene Himbeere der österreichischen Projektkultur: Heuer sicherte sich die steirische Landeshauptstadt den „planlos Award“, der bereits zum vierten Mal von der IG Architektur für Fehlentscheidungen und Planungsdesaster verliehen wurde.
Die nicht minder wenig schmeichelhaften Plätze zwei und drei gingen an Vorhaben in Wien – für „Planungslücken“ im Stadtentwicklungsgebiet rund um den Praterstern – und in Niederösterreich. Hier wurde seitens der IG die „Wohn.Chance.NÖ“ aufgrund der weiterhin fehlenden Realisierung als mehr oder weniger vertane Chance bewertet und ins Ranking aufgenommen.
Vier Grazer Projekte am Pranger
Den Sieg gab es für die Stadtplanungsbehörde der Mur-Metropole und ihren obersten Chef, Bürgermeister Siegfried Nagl, gleich aus mehreren Gründen. Die Award-Jury kritisierte den Modus Operandi der Stadtentwicklung bei der geplanten Staustufe Puntigam und das Verfahren rund um das Entwicklungsprojekt Reininghausgründe. Auch die projektierte Murgondel und ein neues unterirdisches Parkhaus mitten in der Innenstadt, das sowohl in Fachkreisen als auch in der Bevölkerung heißt diskutiert wird und über das demnächst entschieden werden soll, haben es auf die Blacklist Jury geschafft.
Politisch-moralische Frage
Insgesamt waren 23 Projekte von der Bevölkerung nominiert worden. Die Jury sortierte jene nach oben, die ihrer Meinung nach über kein „nachvollziehbares Gesamtkonzept“ verfügen und keine Einbettung in ein nachhaltiges Stadtentwicklungskonzept erfahren würden. Auch der Dialog mit der Bevölkerung sei bewertet worden, hieß es seitens der Award-Initiatoren. Entschieden wurde nach Kriterien der Nachvollziehbarkeit, der Angemessenheit und Transparenz.
Juror Maik Novotny konkretisierte im Standard, dass angemessene Kritik an den Projekten nicht nach ästhetischen sondern nach moralischen Kategorien zu erfolgen sei. Denn: „Wenn ein Bauwerk wie ein unerwarteter Gast am falschen Ort auftaucht, kann es noch so schön gekleidet sein. Zu fragen ist, wie und warum diese Bauwerke zustande kommen, und ob die Politik ihre Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit wahrnimmt und ihr transparent erklärt, welchen Weg zum Horizont man einzuschlagen gedenkt.“
Dass in vielen Fällen Entscheidungen fallen, deren städterelevante Auswirkungen sich oftmals erst nach vielen Jahren wirksam würden, sei nun einmal Tatsache. Entsprechend wenig sollten daher tagespolitische Ziele in die langfristig wirksamen Entscheidungsprozesse Eingang finden, forderten Vertreter der Interessensgemeinschaft Architekturschaffender bei der Präsentation der Preisträger. Man wolle hier weiter beobachten und Druck auf die entscheidenden Stellen ausüben.
Positiv-Award an Wiener Baudirektion
Übrigens: Abholen wollte sich die Grazer ihre Trophäe nicht. Der Preis, ein Betonblock, wurde postalisch zugestellt. Weniger Berührungsängste dürfte der Gewinner des gleichzeitig verliehenen Alternativpreises für gelungen Projektplanung gehabt haben. Der „Gut Gemacht!“ ging in diesem Jahr an Ernst Schlossnickel von der Baudirektion Wien, der sich laut IG um den Fachdiskurs zu Planungsfragen verdient gemacht hat.