© Heid Schiefer

Vergaberecht Österreich: Neue EU Richtlinie

In Sachen Vergaberecht stehen umfassende Änderungen bevor. Die europäische Kommission legt ihren Vorschlagskatalog auf den Tisch und wünscht sich mehr Flexibilität. Vergaberechts-Experte Stephan Heid über die wesentlichsten Punkte.

Das österreichische Vergaberecht hängt wesentlich vom EU-Vergaberecht ab. Im sogenannten „Oberschwellenbereich“ (für Bauaufträge ab EUR 5 Mio geschätztem Auftragswert ohne USt; für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im „klassischen“ Bereich ab EUR 200.000,--, im Sektorenbereich ab EUR 400.000,--) müssen die EU-Richtlinien vollständig umgesetzt werden, was zum Teil durch wörtliche Übernahme der Bestimmungen ins Bundesvergabegesetz geschieht. Aber auch die Regelungen für den „Unterschwellenbereich“ hängen wesentlich vom EU-Vergaberecht ab, weil einerseits die grundlegenden Prinzipien des EU-Primärrechts auch hier gelten, und andererseits der österreichische Verfassungsgerichtshof eine „sprunghafte“ Ungleichbehandlung von Aufträgen unter und über diesen Schwellenwerten für gleichheitswidrig erachtet.

Ziele der Neugestaltung

Die EU-Kommission hat nach der am 27.1.2011 erfolgten Veröffentlichung des „Grünbuchs über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens – Wege zu einem effizienteren europäischen Markt für öffentliche Aufträge“ ein aufwändiges Konsultationsverfahren zur Einholung der Standpunkte der verschiedenen Interessenträger durchgeführt.

Dabei hat sich insbesondere der breite Wunsch nach Vereinfachung und Flexibilisierung der Verfahren sowie nach Reduktion des Verwaltungsaufwands gezeigt.

Abriss wesentlicher Inhalte

Als interessante Änderungsvorschläge der EU-Kommission können beispielsweise folgende Punkte herausgegriffen werden:

  • Die laufende Judikatur des EuGH wurde eingearbeitet (so zB jene zur Anwendbarkeit des Vergaberechts bei Vergabe gemischter Aufträge – also solcher, die auch Aufträge außerhalb des Vergaberechts enthalten; oder jene zur Änderung bestehender Verträge).
  • Die Fristen (für Angebote etc) sollen flexibler gehandhabt werden können. Eine solche Flexibilisierung und der damit verbundene höhere Ermessensspielraum für Auftraggeber hat natürlich auch eine steigende Gefahr des Missbrauchs dieses Spielraums zur Folge.
  • Die elektronische Auftragsvergabe soll gefördert werden, und zwar durch einen (teilweisen) Zwang zur elektronischen Kommunikation sowie der Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen zum Download.
  • Die gemeinsame Auftragsvergabe durch Auftraggeber verschiedener EU-Mitgliedstaaten soll erleichtert werden.
  • „Subzentrale“ öffentliche Auftraggeber (das sind alle außer BKA, Bundesministerien, Arsenal, BBG und BRZ) sollen die Bekanntmachungen ihrer Ausschreibungen zum Teil einfacher und mit weniger Detailinformationen (und zwar als „Vorinformationen“) veröffentlichen dürfen.
  • Die Unterscheidung zwischen prioritären und nicht prioritären Dienstleistungen soll fallen gelassen werden, dafür gibt es erleichterte Vorschriften für die Vergabe von „sozialen Dienstleistungen“ (zB im Gesundheits- und Sozialwesen).
  • Die Qualität der Mitarbeiter und der inneren Organisation eines Bieters soll durchgehend als Zuschlagskriterium, nicht nur als Eignungs- und Auswahlkriterium, verwendet werden dürfen.
  • Der Ablauf des zweistufigen Verfahrens (also jenes mit Präqualifikation) soll für den Auftraggeber flexibler gestaltbar sein.
  • Die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens soll erweitert werden.
  • Es soll ausdrückliche Zulässigkeitsgrenzen für eine Vertragsänderung nach Zuschlag geben (entsprechend der Entscheidung des EuGH vom 19.6.2008, Rs C-454/06 – „Pressetext“).
  • Es soll ein „Europäischer Pass für die Auftragsvergabe“, ausgestellt von einer EU-Zentralstelle, eingeführt werden, der für eine Gültigkeitsdauer von zumindest 6 Monaten als Nachweis für die Zuverlässigkeit und Befugnis eines Bieters im gesamten Geltungsbereich der Richtlinien dient.
  • Bewerber und Bieter sollen bei „erheblichen und dauerhaften Defiziten“ im Zuge der Ausführung bisheriger Aufträge für den ausschreibenden Auftraggeber vom Verfahren ausgeschlossen werden dürfen (allerdings mit der Chance des Nachweises der zwischenzeitigen „Selbstreinigung“ durch das Unternehmen). Hier gilt wiederum das oben zur Missbrauchsgefahr eines Ermessensspielraums Gesagte.
  • Die Bedeutung der Lebenszykluskosten einer (Bau-)Leistung für Leistungsinhalt und Kriterien sollen betont werden.
  • Als neue Verfahrensart soll die sogenannte „Innovationspartnerschaft“ – Auftragserteilung nach Entwicklung einer innovativen Leistung gemeinsam mit dem Auftraggeber – eingeführt werden.
  • KMUs sollen gefördert werden; so zB durch die Festlegung, dass für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit außer in besonderen Ausnahmefällen maximal der dreifache Auftragswert als Jahresumsatz gefordert werden darf. Auch soll die losweise Vergabe gegenüber der Gesamtvergabe von Leistungen einen Vorrang erhalten. Weiters sollen die Mitgliedsstaaten in den nationalen Vergabegesetzen die Möglichkeit vorsehen dürfen, dass Subunternehmer unter Umständen eine direkte Zahlung durch den Auftraggeber verlangen können.
  • Zum Zwecke der Bekämpfung von „Korruption und Günstlingswirtschaft“ sollen Verträge von großen Aufträgen (etwa Bauaufträge ab EUR 10 Mio) einer Zentralstelle zur Prüfung vorgelegt werden.
  • Die Änderungen würden im Wesentlichen sowohl die Vergaberichtlinie für „klassische“ Auftraggeber als auch die „Sektorenrichtlinie“ betreffen (für die Darstellung von Detailunterschieden fehlt hier der Platz).
  • Für die Vergabe von Konzessionen (sowohl Bau- als auch Dienstleistungskonzessionen) soll eine eigene Richtlinie erlassen werden, die ausschließlich diese Leistungen regelt.

AutorIn:
Datum: 15.03.2012

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