Wiener Wohnungsmarkt: Kritik und Optimismus
Neue Bauordnung, Stellplätze, Lagezuschläge. Eine Reihe zentraler Themen der privaten Immobilienwirtschaft wurden im vergangenen Jahr neu geregelt. Die Fachgruppe der Wiener Immobilien- und Vermögenstreuhänder zog kürzlich Bilanz.
Wohnen in Wien: Zu wenig Wohnraum für sozial Schwächste, Förderung für Nachverdichtung fehlt und die Versuche der Stadt, Gründerzeithäuser zu erhalten, sei als gescheitert zu betrachten. Die Bilanz der Wiener Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder fällt in einem vor kurzem stattgefundenen Pressegespräch nicht nur rosig aus.
Stellplatzprobleme erfolgreich eingedämmt
Positiv sieht die Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder, dass sich im Regierungsprogramm beim Punkt Mietrechtsreform auch ganz konkrete Forderungen der Immobilienwirtschaft wiederfinden. Weiters wird begrüßt, dass in der Bauordnungsnovelle langjährige Vorschläge im technischen Bereich mitaufgenommen worden sind, Verbesserungen bei der Stellplatzpflicht und durch die Gleichstellung von Laubengängen und Balkonen. „In der Stellplatzerrichtungspflicht sind wir wieder einen Schritt vorangekommen und auch die Neufassung des §68 BO ist eine große Erleichterung. Damit muss beim Umbau von mehr als einem Geschoß zwar das Haus verbessert werden, aber nicht mehr auf absolute Neubauqualität. Die baurechtliche Gleichstellung von Laubengängen mit Balkonen hat endlich Niederschlag gefunden und ebenso, dass Höfe nicht mehr von Allgemeinteilen aus zugänglich sein müssen“, so Hans Jörg Ulreich.
Gründerzeiterhaltung gescheitert
Sanierte Altbauten gelten in Wien als die beliebteste und am stärksten nachgefragte Wohnform. Die Experten betrachten den Vorstoß der Stadtregierung über die Bauordnung aber als einen herben Rückschlag in diesem Bereich. „Wir wissen, dass Sanierungen teurer sind als Neubauten, wir wissen, dass die Erhaltung von Gründerzeitgebäuden viel Geld kostet und wir wissen, dass sanierte Altbauten im Mietrecht immer noch Neubauten gegenüber benachteiligt sind. Die Sanierungsrate ist in den letzten Jahren um 60 Prozent gesunken, private Hauseigentümer, in der Regel Einzelpersonen, schaffen den Weg der Erhaltung und Sanierung einfach nicht. Und für Unternehmen ist ein Neubau aufgrund der schlechten rechtlichen Rahmenbedingungen in Wien schlicht sinnvoller, weil der einzig wirtschaftlich sinnvolle Weg, Eigentümer von Gründerzeitgebäuden über die Bauordnung zu zwingen, das Gebäude stehen zu lassen, hilft hier keinem und schafft keinen zeitgemäßen Wohnraum,“ führt Ulreich aus.
Neubau zu attraktiv, kein Anreiz für Nachverdichtung
Hart getroffen wurde 2018 der Mietwohnungsmarkt in Wien vom OGH Urteil im Jänner 2018 und der Neuinterpretation der Lagezuschläge. Dazu Michael Pisecky: „Die Probleme, die aus der Rechtsunsicherheit entstehen, werden stark auf dem Rücken der Immobilientreuhänder ausgetragen.“ Verstärkt würde das Problem durch die Lagezuschlagskarte der Stadt Wien - MA 25. Hans Jörg Ulreich: „Die Karte mag für Mieter auf den ersten Blick gut wirken, verhindert jedoch einmal mehr Sanierungen von Gründerzeitgebäuden und macht Neubauten wirtschaftlich noch attraktiver.“
Ulreich kritisiert weiter, dass bei der Schaffung von Anreizen im Wohnbau in der neuen Bauordnung ausschließlich der geförderte Wohnbau bedacht wurde. „Unsere langjährige Forderung pro Nachverdichtung im innerstädtischen Bereich, auch im Gemeindebau, muss in Wien endlich aktiv umgesetzt werden! Es gibt genügend Raum nach oben, der dringend benötigt wird,“ so Ulreich.
Zu wenig Wohnraum für sozial Schwächste
Das Jahr 2019 sieht die Fachgruppe für Mitglieder ebenso wie für die Wiener Bevölkerung mit gemischten Gefühlen. Die Experten gehen davon aus, dass die Diskrepanz zwischen Einkommen und Mieten weiter steigen wird. Die Gründe dafür orten Ulreich und Pisecky aber nicht in Preissteigerungen der Vermieterseite, sondern in gekürzten Transferleistungen und zu niedrigem Nettoanstieg des unteren Einkommensdrittels. „Mehr als die Hälfte der schwächsten Einkommensgruppe lebt heute in Wien in privaten Mietwohnungen – aufgrund von Zugangsbeschränkungen oder Wohnraummangel im Gemeindebau bzw. weil geförderter Wohnbau für diese Gruppe auch nicht leistbar bzw. zugänglich ist,“ so Michael Pisecky.
„Viele können keine Gemeindewohnungen beziehen, weil darauf mehrere Jahre Wartezeit liegen und nicht immer diejenigen darin wohnen, die diese aus ihrer finanziellen Situation heraus auch wirklich benötigen. Darüber hinaus haben sozial Schwache oftmals zu wenig Geld für eine Genossenschaftswohnung. Dabei gibt es in Wien immerhin 60 Prozent soziale Wohnbauflächen. Mit entsprechender Verdichtung sollte der Bedarf eigentlich gedeckt sein – wenn dieser an diejenigen vergeben wird, die auf diesen angewiesen sind. Gemeindewohnungen sind keine Eigentumswohnungen auf ewig, sondern eine soziale Hilfeleistung für Menschen, die Unterstützung brauchen. Hier sollte etwas dringend geändert werden,“ so Ulreich.