Martin Schachenhofer lehrt im Studiengang ­Architektur – Green Building, ein praxisnahes Bachelor- und Masterstudium mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit. ­„Meiner ­Meinung nach ist die Vielfalt der Studiengänge wichtig und eine echte Be­reicherung für die heimische Architektur­szene“, so Schachenhofer. © Valentin Heuwieser

Die Jungen wollen die Wende

Wir haben uns mit Martin Schachenhofer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department Architektur und Bauen der FH Campus Wien, über Stoßrichtung und Ziele der Architekturausbildung in Österreich unterhalten.

Das Berufsbild des Architekten ist im Wandel. Wie reagieren die Ausbildungsstätten auf die Veränderungen, die ganz im Zeichen ökologischer und sozialer Umbrüche stehen? Mit welchen Lehrinhalten und Methoden werden junge Menschen auf die komplexen, teils widersprüchlichen Anforderungen des Berufs vorbereitet? Und an welchen alten Wissensgebieten führt trotz Neuerungen kein Weg vorbei?

4W: Werden junge Architekten auf die komplexen Aufgaben des Berufs vorbereitet? Sind sie nach ihrem Studium „fit for the job”?

Schachenhofer: Gibt es ein Studium, nach dem man tatsächlich „fit for the job“ ist? Ärzte und Ärztinnen zum Beispiel absolvieren nach dem Medizinstudium eine Turnus-Ausbildung, die sie auf die Arbeitswelt vorbereitet. In der Baubranche gibt es vielfältige Aufgaben, das Bauen an sich wird immer komplexer. Angehende Architekten und Architektinnen auf jede Aufgabe detailliert vorzubereiten, würde den Rahmen des Studiums sprengen. Zudem sollte man immer im Auge behalten, dass das Entwerfen von Gebäuden die Fähigkeit ist, die Architekten und Architektinnen von anderen baubezogenen Berufen unterscheidet. Dass sich Architekturbüros Arbeitskräfte wünschen, die schon alles können und denen man nichts mehr beibringen muss, ist auch irgendwo klar, aber diese Forderung ist illusorisch. Im Architekturstudium sollte vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der das vernetzte Denken fördert.

4W: Ist der Architekt von morgen ein Spezialist oder ein Generalist?

Schachenhofer: Die Zeiten von Generalisten und Generalistinnen in der Architektur sind lange vorüber. Ein breites Fachwissen und umfassende Fähigkeiten sind für Architekturschaffende natürlich immer noch wichtig, um komplexe Bauaufgaben zu meistern, aber ohne die entsprechende Fachplanung geht es nicht mehr. Leider laufen Planungsprozesse in der Regel so ab, dass dieses Fachwissen häufig erst bei der Einreichplanung in Anspruch genommen wird. Von diesem linearen Planungsprozess müssen wir uns verabschieden, weil viel Potenzial auf der Strecke bleibt. Stakeholder und Fachplanende müssen so früh wie möglich miteingebunden werden. Mit Hilfe einer solchen integralen Planung können Bauaufgaben ganzheitlich betrachtet werden, Kosten in der Errichtungs- und Betriebsphase reduziert und Gebäude so geplant werden, dass sie über den gesamten Lebenszyklus nachhaltig sind.

4W: Was unterscheidet denn den Uni-Abgänger vom Absolventen einer FH oder dem einer HTL für Bauingenieurwesen? Was macht die Architekturausbildung an der Universität anders?

Schachenhofer: Fangen wir einmal mit der Gemeinsamkeit an. Was alle teilen, ist, dass sie über ein gutes bautechnisches Verständnis verfügen und dass sie Pläne lesen und erstellen können. Das sind quasi die Basics, die notwendig sind, um miteinander zu kommunizieren.

Personen mit HTL-Abschluss verfügen über ein gutes Fachwissen, steigen meist schon sehr früh in das Berufsleben ein und können davon karrieretechnisch stark profitieren. Im Studium Bauingenieurwesen erhalten Studierende eine tiefgehende, breite Ausbildung, meist mit Spezialisierung auf ein oder mehrere Themengebiete. Im Architekturstudium steht ganz klar der Entwurf im Vordergrund. In der Regel wird in jedem Semester an mindestens einem Entwurfsprojekt gearbeitet. Diese Lehrveranstaltungen haben häufig zwischen 10 und 15 ECTS (Anm. d. Red.: ECTS sind das Maß für den Arbeitsaufwand der Studierenden, 10 ECTS entsprechen 250 Stunden) und bilden den Kern des Architekturstudiums. Wie sich Uni- und FH-Ausbildung voneinander unterscheiden, lässt sich im Allgemeinen nur schwer beantworten. Jede Hochschule hat einen anderen Zugang zu Architektur und darum sollten sich Studierende gut informieren, welche Universität oder Fachhochschule am besten zu ihren eigenen Vorstellungen passt.

Es soll immer noch Büros geben, die keine Absolventen und Absolventinnen von FHs oder Kunsthochschulen einstellen. Andererseits erzählte mir der Leiter eines bekannten Wiener Architekturbüros, dass ein Viertel seiner Belegschaft von der FH kommt, weil die Ausbildung dort näher an der Praxis ist und das nachhaltige Bauen im Vordergrund steht.

Das ganze Interview finden Sie im 4W

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Datum: 18.09.2023

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