DI Dr. Markus Leeb lehrt und forscht seit 2013 an der FH Salzburg am Studiengang Smart Building. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich  energieeffizientes Bauen, Bauteilaktivierung und Energieflexibilität im Gebäudeverbund. © FH Salzburg

Smart planen und bauen

FH-Prof. DI Dr. Markus Leeb unterrichtet an der FH Salzburg im Studienlehrgang Smart Building. Wir haben uns mit ihm über Lehrinhalte, Ziele und Herausforderungen für die neue Generation von Planenden und Konstruierenden unterhalten.

4W: Seit wann spielt Smart Building eine Rolle in der Gebäude- und Stadtplanung und welche Bereiche in der Gebäude- und Stadtplanung haben sich dadurch besonders verändert?

Markus Leeb: Um dies einzuordnen, kommt es darauf an, was man mit Smart Building überhaupt meint. Bei uns (FH Salzburg, Anm. d. Red.) steht der Begriff Smart Building in Hinblick auf das Gebäude für ein Zusammenspiel von Bau-, Gebäude- und Energietechnik, um energieeffizient und ressourcenschonend zu bauen, sowohl im Neubau als auch in der Sanierung. Um Ihre Frage zu beantworten: Ende der 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre wurden in vielen Ländern Energieeffizienzanforderungen an Gebäude eingeführt, zu dieser Zeit ist ein merklicher Änderungsprozess eingetreten. Die in den letzten 15 Jahren stetig umfassender gewordenen Anforderungen hinsichtlich Gesamtenergieeffizienz haben die Vernetzung einzelner Komponenten im Gebäude verstärkt und der Ausbau der erneuerbaren Energie am Standort wurde forciert.

4W: Smart Building geht nicht ohne Planung und Architektur. Welche Schnittstellen haben diese Bereiche und wie stark wirkt das Themenfeld in die Architektenausbildung hinein?

 

Leeb: Die Planung ist der größte Hebel für ressourcenschonendes Bauen. Schon im Vorfeld muss genau definiert werden, wie die Bautechnik mit der Gebäudetechnik etc. funktionieren muss. Das Ganze wird auch Energy Design genannt – wie muss ein Gebäude gebaut werden, um so wenig Ressourcen wie möglich im Bau und im Betrieb zu verbrauchen. Ein Beispiel: Große Fenster verursachen im Sommer hohe solare Einträge und es kommt zur sommerlichen Überhitzung. Dies kann vorab durch detaillierte Planung und z. B. einen außenliegenden Sonnenschutz vermieden werden – ansonsten werden wir auch in Zukunft vermehrt im Wohnbau kühlen müssen!

4W: Was sind die wichtigsten Merkmale eines Smart Buildings?

Leeb: Wie schon zuvor erläutert, geht es um das funktionierende Zusammenspiel von Bau-, Gebäude- und Energietechnik mit dem Ziel, energieeffizient und ressourcenschonend zu bauen. Das erfordert ein integrales Zusammenarbeiten sämtlicher Gewerke, natürlich schon in der Planung. Ob Energieverbrauch, Komfort, Sicherheit oder Autarkie: Im Smart Building-Prozess geht es immer darum, wie man die verschiedenen Systeme am besten miteinander kombinieren kann, um so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen.

4W: Wie viel hat Smart Building mit dem viel geläufigeren Begriff Smart Home zu tun?

Leeb: Das Smart Home verbindet alle Komponenten miteinander und schaltet z.B. die Wärmepumpe oder andere Verbraucher ein, wenn die Photovoltaikanlage Strom liefert oder wenn der Strom derzeit billig ist. Auch die Außenjalousien etc. werden mit solchen Systemen gesamtheitlich gesteuert.

4W: Steht smart in Smart Building ausschließlich für technologisch? Spielen beim Smart Building nicht auch Faktoren wie alte Bauweisen, alte Baustoffe, Konstruktionen zur Be- und Entlüftung bzw. Klimatisierung eine Rolle? Wissen, welches man sich zumindest im Ansatz von mehreren hundert Jahre alten Gebäuden abschauen könnte?

Leeb: Ökologisches Bauen hat nicht nur mit Energieeffizienz zu tun. Bei einem Smart Building muss auch die Energie bzw. die CO2-Emission der Materialien, die für den Bau des Gebäudes notwendig sind, bewertet und mitbedacht werden. Und zwar von den Baustoffen bis hin zu den Materialien, die in der Gebäudetechnik eingesetzt werden. Dementsprechend spielt die „alte“ Baukunst sehr wohl eine Rolle im heutigen intelligenten Bauen. Vor allem die Verwendung regionaler Baustoffe ist ein großes Thema. Früher wurde ausschließlich mit den Materialien gebaut, die auch in der Nähe verfügbar waren. Dies sollte wieder stärker in den Fokus geraten.

4W: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung von Smart Building-Technologien in der Baubranche aktuell?

Leeb: Wenn wir hier von Smart Building in Einfamilienhäusern sprechen, nur ob man es will oder nicht, und natürlich die Kosten. In Bürogebäuden ist eine Gebäudeleittechnik heute schon Standard und daher die Vernetzung bereits vollzogen. In Mehrfamilienhäusern sollte die Anlage hinsichtlich Komfort und Effizienz funktionieren, ohne zu kompliziert für die Nutzerinnen und Nutzer zu sein!

4W: Wie sieht die Zukunft von Smart Building aus? Welche neuen Technologien und Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Leeb: Ich erwarte einen höheren Fokus auf die Erzeugung der Energie am Standort sowie die Nutzung jeglicher Abwärme. Auch ein energieflexibles Betreiben der Gebäude, ohne dabei die CO2-Emissionen der Materialien, die für den Bau des Gebäudes und der TGA notwendig sind zu vergessen.

4W: Welche Rolle spielen Daten und Analysen bei der Verbesserung der Effizienz und Leistung von Smart Buildings? Themen wie Datensammlung, zunehmende Vernetzung und Digitalisierung stoßen ja nicht nur auf Gegenliebe in der Gesellschaft.

Leeb: Ja das stimmt. Daher haben wir in Europa einen sehr gut funktionierenden Datenschutz, um die Nutzerinnen und Nutzer vor Datenmissbrauch zu schützen. Die Daten bzw. die Digitalisierung allgemein können helfen, Gebäude bidirektional zu steuern und Ressourcen zu sparen. Ich habe ein Beispiel für Sie: Ein aktuell vorhandener Überschuss erneuerbarer Energie aus PV und Wind wird festgestellt. Dann wird der Pufferspeicher des Gebäudes erhitzt, der Sollwert der Rauminnentemperatur wird moderat erhöht, und weitere Geräte werden eingeschaltet. Somit können mithilfe von Daten Gebäude als Speicher für erneuerbare Energie dienen.

4W: Vielen Dank für Ihre zeit und die interessanten Einblicke!

AutorIn:
Datum: 18.09.2023

Inspiration & Information abonnieren - mit dem wohnnet Newsletter

Weitere Artikel aus dem Channel Architektur

Valentin Heuwieser

Architektur

Die Jungen wollen die Wende

Wir haben uns mit Martin Schachenhofer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department Architektur und Bauen der FH ...

Adam Mork

Architektur

Wir müssen in die Höhe!

Erlebt der Hochbau einen neuen Boom? Und was haben die wachsende Weltbevölkerung, der Baustoffmangel und der ...

STRABAG

Architektur

Neues STRABAG-Büro aus dem 3D-Drucker

Die STRABAG setzte gemeinsam mit dem 3D-Betondruck-Pionier PERI einen rund 125 Quadratmeter großen Bürozubau in ...

Fischbauer Marcel

Architektur

Zukunftsfähig Heizen, Kühlen und Wohlfühlen

Beim Heizen und Kühlen stehen die Zeichen auf Veränderung. Wir haben uns mit dem Produktmanagement von ­KE KELIT ...

Lichtbildkultur Martin Schlager

Architektur

Interview: Das Reihenhaus im 21. Jahrhundert

Langweilig und bieder war vorgestern! Längst hat das Reihenhaus sein eingestaubtes Image abgelegt. Architekt Jürgen ...

Scala Matta Modellbau Studio e.U.

Architektur

Architekturmodell: Abstrakt, dreidimensional, analog

Geht Architektur ohne Modell? Wie Modellbauer arbeiten und ob ihre Werke für die Planungs- und Baubranche obligat ...

AKIM photography

Architektur

Corona, die Digitalisierung, der Handel und die Stadt

Die Studie "retail in transition" stellt unterschiedliche Stadt-Szenarien dar, die im weltweiten Austausch mit ...

Schnepp Renou und DroneProject Robert Smely

Architektur

Österreichischer Staatspreis für O&O Baukunst

Für ihre "Architektur ohne Anbiederung" wurden die Linzer Architekten Ortner & Ortner heuer mit dem Großen ...