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Wettlauf der smarten Städte

Österreich braucht sich in puncto Smart City nicht zu verstecken, wie die zahlreichen Initiativen belegen. Wien wurde sogar unter 87 untersuchten Städten auf Rang eins gereiht. Die zunehmende Vernetzung, das „Smart Home“, birgt allerdings so manche Tücken.

Was macht eine Stadt smart? Für den Begriff Smart City gibt es keine eindeutige Definition. Vereinfacht formuliert können Städte mithilfe von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) besser organisiert und Prozesse so besser aufeinander abgestimmt werden. Das kann beispielsweise bedeuten, dass Bürger auf elektronischem Wege im Internet beim Magistratsamt ihr Anliegen vorbringen und einen minutengenauen Termin zur persönlichen Vorsprache vereinbaren können, bis hin zur – eine vergleichsweise komplexe Angelegenheit – Integration dezentraler Energiebereitstellung, also die passgenaue Abstimmung zwischen Energieangebot und -nachfrage. Die Fraunhofer-Gesellschaft, die größte Organisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa, hat mit ihrer Morgenstadt-Initiative, einem Netzwerkansatz zur Entwicklung nachhaltiger Stadtsysteme, einen ganzheitlichen Blick festgelegt. Demnach machen acht Sektoren plus ihre Schnittstellen und Interaktionen eine Stadt smart: Wasserinfrastruktur, Mobilität, Energie, Sicherheit, Informations- und Kommunikationstechnologie, Gebäude, Produktion und Logistik sowie Governance. In den bereits umgesetzten oder in Planung befindlichen Projekten wird selten nur ein Faktor berücksichtigt; häufig betrifft der Maßnahmenkatalog gleich mehrere Sektoren.

Smart City sei jedoch das falsche Leitbild, meint vorweg Jens Libbe vom Deutschen Institut für Urbanistik in einem Interview mit der Bundeszentrale für politische Bildung. „Wir reden eigentlich über integrierte Stadtentwicklung, mit sozialen Prozessen, mit ökologischer, ökonomischer und auch technologischer Dimension.“ Das Internet spielt jedenfalls eine große Rolle, es ermöglicht neue Formen der Kommunikation miteinander, sei es nun im direkten Mailverkehr oder in der Gestaltung von Blogs oder Internetseiten. Dies schafft aber auch Ambivalenz, denn daraus ergibt sich eine Abhängigkeit – Technologien werden ja in Sozialräumen erprobt. Wesentlicher Knackpunkt für die smarte Stadt ist daher die Versorgung der Bevölkerung mit Breitbandtechnologie, denn mit der vernetzten Stadt, der vernetzten Bevölkerung sind riesige Datenströme verbunden. Aber nicht nur das: Die Technikaffinität ist bei unterschiedlichen Personengruppen auch verschieden stark ausgeprägt. IKT-basierte Smart-City-Lösungen müssen daher an vielfältige Nutzerbedürfnisse angepasst werden.

In Linz soll der Verkehr künftig das Licht selbst aufdrehen: Sensoren geben Rückmeldung, sobald sich Fußgänger, Radfahrer und Autos nähern. © Tvilight

Datenverkehr explodiert

Jedenfalls wächst der weltweite Datenhunger immens, heißt es in einer Studie von IW Consult im Auftrag des Vodafone Instituts für Gesellschaft und Kommunikation. Das umgeschlagene Datenvolumen wird demnach weltweit bis 2019 drei Mal höher sein als heute. Bis dahin dürften dann voraussichtlich bis zu 51.798 Gigabyte pro Sekunde durch die Datenleitungen fließen. Die Netzinfrastruktur ist sozusagen der „Schrittmacher“ für die Gigabit- und die smarte Gesellschaft.

Statistiken fördern interessante länderspezifische Fakten zutage: So ist etwa Deutschland bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe. Bei der Netzabdeckung und der Geschwindigkeit der Datenleitungen aber liegt unser Nachbarland nur im Mittelfeld. Zukunftssichere reine Glasfaseranschlüsse sind dort noch Mangelware. In Estland verfügen 73 Prozent, in Schweden 56 Prozent, in Spanien 53 Prozent der Haushalte über direkte Glasfaserverbindungen. Auch Südkorea bringt es auf fast 70 Prozent, in Deutschland dagegen sind es lediglich 6,6 Prozent der Haushalte.

Die am dynamischsten wachsenden Schlüsseltechnologien sind „smarte Anwendungen“ in den Bereichen Mobilität, im Gesundheitswesen, dem Energiesektor, der Industrie, im Verbrauchermarkt sowie in der Verwaltung. Der Ausbau ist freilich nur mit staatlicher Förderung möglich, da sich ländliche oder dünn besiedelte Regionen wirtschaftlich für Provider nicht lohnen.

Breitband-Förderung für KMU

In Österreich hat die Telekom Regulierungsbehörde (RTR) zum Jahresbeginn 2017 eine neue Infrastrukturdatenbank in Betrieb genommen, um damit den Breitband-Internetausbau zu beschleunigen und zu vergünstigen. So können die Telekomnetzbetreiber ihre Planungen und Bauarbeiten besser abstimmen. Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung Wien (Wifo) sieht die Investitionen der Telekombranche in Österreich über dem Durchschnitt anderer Branchen, aber im internationalen Vergleich ebenfalls deutlich hinter Ländern wie Schweden oder der Schweiz. Auch für Österreich gilt: Der Anteil von schnellem Breitband ist gering. Die 2016 ausgeschriebene Breitbandmilliarde des Infrastrukturministeriums wird interessanterweise nur zögerlich ausgeschöpft. Gut zu wissen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), das Rückgrat der heimischen Wirtschaft: 21 Millionen Euro aus der Breitbandmilliarde – ein Überbleibsel aus der Auktion der Funkfrequenzen von 2013, als die Mobilfunknetzbetreiber A1, T-Mobile und „3“ zwei Milliarden Euro für die Lizenzen bezahlt hatten – sind für KMU reserviert. Das Infrastrukturministerium übernimmt bis zu 50 Prozent der Kosten, wenn ein Betrieb – zulässig sind bis zu 249 Mitarbeiter – ans Glasfasernetz angebunden wird. „Knapp zwei Drittel unserer 330.000 KMU haben noch immer keine leistungsfähige Breitbandanbindung“, bedauerte Minister Jörg Leichtfried bei der Ankündigung des KMU-Bonus.

Immerhin schneidet Österreich beim Digitalisierungsindex der EU, der sich aus fünf Komponenten zusammensetzt (Verbindungsleitungen und Breitband samt Preisgestaltung, grundlegende Kenntnisse und Experten, Gebrauch von Internet in der Bevölkerung samt Onlinegeschäften, Integration der digitalen Technologie mit E-Commerce sowie E-Governance), bei den digitalen öffentlichen Diensten mit Rang fünf gut ab.

Österreich hat bereits früh mit E-Mobilitäts-Modellregionen begonnen. Bis 2018 sollen 16.000 E-Mobile auf der Straße sein. © e-connected

Wien auf Rang eins

Und gute Noten erhält Wien vom Beraterunternehmen Roland Berger: Es hat sich Smart-City-Strategien von 87 internationalen Metropolen angesehen und die Bundeshauptstadt auf Platz eins gereiht – vor Chicago und Singapur. „Die österreichische Hauptstadt kann punkten, weil sie eine breit und sehr grundsätzlich angelegte Smart-City-Strategie ausgearbeitet hat, die auf den Kriterien Lebensqualität, Ressourcenschonung und Innovation basiert“, erklärte die Beraterfirma im Mai angesichts ihres erstmals erstellten „Smart City Index“.

Eine ganz wesentliche Rolle bei der Umsetzung von Smart-City-Aktivitäten spielt der 2007 eingerichtete Klima- und Energiefonds. Er unterstützt die Regierung bei der Umsetzung einer nachhaltigen Energieversorgung, bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen sowie bei der Umsetzung der Klimastrategie. Ende 2010 hat die Einrichtung als europaweit erster Fördergeber mit den Smart-City-Initiativen begonnen. Nicht zuletzt soll damit auch Österreich als Wirtschaftsstandort punkten.

Im Frühjahr 2011 – als Ergebnis des ersten Calls – begannen 18 Städte und urbane Regionen damit, erste Schritte in Richtung Smart City zu setzen. Alle Projekte aus dem ersten Call sind fertiggestellt. Ergebnis des zweiten Calls waren erfolgreiche Projekte in Leoben und Oberwart: Das Projekt Smart Tower Enhancement Leoben Austria (STELA) beschäftigt sich mit der umfassenden thermischen und technischen Sanierung und gleichzeitig grundlegenden Aufwertung von in den 1970er-Jahren konzipierten Quartieren mit Wohnnutzung am Beispiel einer Wohnanlage in Judendorf (Leoben). LOADSHIFT Oberwart hat die Entwicklung eines gebäudeübergreifenden Energiemanagementsystems zur urbanen Lastverschiebung zum Inhalt. Beispiele aus dem Call 2013 sind die Seestadt Aspern, Hartberg und Regau. Umgesetzt werden unter anderem Wohnsiedlungen und -gebäude, die mit innovativen Energieversorgungssystemen, moderner Hausautomation und IKT-Lösungen ausgestattet sind. Gemeinsam ist allen Projekten, dass sie stark auf die Einbindung der Einwohner setzen und Pionierarbeit für nachfolgende Projekte leisten. Die weiteren Einreichungen hatten als Schwerpunkt „Smarte Modernisierung im sozialen Wohnbau“ – mit Projekten in 1190 Wien sowie am Wiener Nordbahnhof, in Leoben und in Graz. Aber auch „Smarte Industriestandorte und Gewerbegebiete“ waren Thema. Generationenübergreifende Aspekte im sozialen Wohnbau kommen ebenfalls nicht zu kurz, genauso wie Ideen zur Minderung des urbanen Wärmeinseleffekts sowie zur Erhöhung der Qualität des städtischen Raums durch Grün- und Freiflächen.

Anschub-Finanzierung für E-Mobilität

Urbane Regionen sind bereits heute für rund zwei Drittel des Energieverbrauchs und drei Viertel der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass sich Städte zu nachhaltigen und energieeffizienten Smart Cities wandeln. Auch dem Aufbau von E-Mobilitätsmodellregionen widmet sich daher der Klima- und Energiefonds. Der Ankauf von Ladestationen und E-Fahrzeugen, die Bereitstellung von erneuerbaren Energien sowie die Entwicklung von neuen Geschäfts- und Mobilitätsmodellen sind inhaltlicher Kern des Programms. Die Modellregionen sollen als Erfahrungsquelle, Keimzelle und Multiplikator wirken. Seitdem ist viel geschehen. Ein Beispiel ist die Modellregion VLOTTE, mit einem Fördervolumen von 5,2 Millionen Euro. Sie zählt zu Europas größten E-Mobilitätsmodellregionen und konnte sich mit dem frühen Start 2008 und den umfangreichen Ergebnissen international positionieren.

Weiters starteten im Frühjahr 2017 vier Förderungsaktionen des Infrastruktur- und Umweltministeriums für Gemeinden, Vereine und Betriebe. Die Gelder sind Teil eines 72-Millionen-Euro-Pakets von Bundesregierung und den Autoimporteuren und gilt für Pkw-Kleinbusse, Nutzfahrzeuge und E-Bikes sowie für Elektrotankstellen. Bis 2018 möchte Umweltminister ­Andrä Rupprechter 16.000 E-Mobile auf der Straße sehen. Allerdings hängt der Erfolg von Elektrofahrzeugen auch von der Entwicklung der Rohöl- oder Strompreise ab. Damit Elektrofahrzeuge für private Nutzer wirtschaftlicher als konventionelle Fahrzeuge sind, müssen sie viel gefahren werden, um die höheren Anschaffungsausgaben über die günstigeren Verbrauchs- und Wartungskosten zu amortisieren. Ein Hemmschuh sind auch noch die derzeit geringen Distanzen, die mit E-Autos gefahren werden können. Ausgedehnt wurde das Förderzuckerl immerhin auch auf Elektrofahrräder, Elektrotransporträder und Transporträder.

Damit Elektroautos so richtig auf der Erfolgsstraße fahren, ist auch ein flächendeckendes und unkompliziertes Versorgungsnetz an E-Tankstellen nötig. Seit April 2017 verfügt Österreich über das landesweite Ladenetz für Elektroautos „ÖHUB“ mit anfangs 1300 Stationen. Sie können mit einer gemeinsamen Ladekarte, Smartphone-App oder per Kreditkarte genutzt werden. Bis 2020 soll das Netz auf 5000 Stationen ausgebaut werden – von allen elf Energieversorgern, die mit dabei sind. Auch die Ölkonzerne mischen in diesem Feld mit: So hat sich die OMV bei der Verbund-Tochter Smatrics, die österreichweit flächendeckende Infrastruktur und innovative Services für die Elektromobilität bereitstellen möchte, beteiligt.

Und um grenzüberschreitend Ziele zu erreichen, macht die Standardisierung Sinn. Hierfür haben sich Anfang des Jahres acht Länder, darunter Österreich, zusammengeschlossen. Das Projekt eGUTS (electric, electronic and green urban transport systems) soll Empfehlungen für einheitliche Regulierungen liefern.

Intelligente Straßenbeleuchtung

Im Bereich Energieeffizienz ließ vor Kurzem die Stadt Linz aufhorchen: Der Verkehr soll selbst das Licht aufdrehen. Die Stadt testet in einem Straßenzug mit hoher Verkehrsdichte und Fußgängerfrequenz eine intelligente, vernetzte Straßenbeleuchtung, wobei Sensoren Umweltdaten an ein Kontrollzentrum liefern. Dieses kann damit ein um Umweltaspekte ergänztes Verkehrsmanagement betreiben. Das Licht der Lampen wird stärker, sobald sich Fußgänger, Radfahrer und Autos nähern. Es passt sich auch automatisch den Wetterbedingungen an. Integrierte Umweltsensoren sollen die Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Feinstaubbelastung, Lärm und Weiteres messen. Kooperiert wird dafür mit Cisco, Tvilight (Leuchtensteuerung), Leapcraft (Umweltsensorik), Zumtobel (maßgefertigte LED-Leuchten) und Kapsch Business Com (Integration). Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger will die intelligenten Straßenlaternen auch für eine moderne und intelligente Parkraumbewirtschaftung nützen. Dabei sollen beispielsweise freie Parkplätze via Handy-App angezeigt werden, Schadstoffemissionen könnten so vermieden werden, wenn Parkplatzsuchende Straßenzüge weniger häufig frequentieren.

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Auch die Wiener Seestadt Aspern macht immer wieder von sich reden. Neueste Idee: Die Bewohner sollen mit einer App spielerisch Energie sparen und ihren Stromverbrauch detailliert managen. Forscher erhalten gleichzeitig Einblicke in die komplexe Dynamik des Energiesystems und Erkenntnisse über das Nutzerverhalten. Eingebunden sind ein Wohnhaus, eine Schule und ein Studentenheim. Dahinter steckt die Aspern Smart City Research (ASCR) Forschungsgesellschaft, getragen von Siemens Österreich, Wien Energie, Wiener Netze und der Stadt Wien, die in Kooperation mit der Wiener Firma Emakina die „Smart Home Control App“ entwickelt hat. Per Smartphone oder Tablet lassen sich Heizung, Lüftung und diverse Haushaltsgeräte ansteuern. Zudem können einzelne voreingestellte Modi für Werktage, Wochenende oder Partybetrieb gewählt beziehungsweise eigene Konfigurationen erstellt werden. Da die Wohnungen energieeffizienztechnisch auf hohem Niveau sind, ist das finanzielle Sparpotenzial allerdings überschaubar, so die Entwickler, es geht also mehr um die Gewinnung von Daten.

Hidden „smart“ Champions finden sich auf Unternehmensebene in Österreich. So wurde etwa Kreisel Electric erst 2015 gegründet, deren Batterietechnologie gilt bereits heute als richtungsweisend. Das Unternehmen, das von drei Brüdern geführt wird, stellt die Zellen nicht selbst her. Im Fokus stehen die Verbindungstechnik und das Thermomanagement, die Langlebigkeit. „Die Palette der mit Partnern realisierten Anwendungen reicht von E-Karts, Jetskis, E-Rollern und E-Bikes über Pkw, Busse und Nutzfahrzeuge bis zu Schiffen und Flugzeugen“, sagt Markus Kreisel. Mit Industriepartnern realisiert das oberösterreichische Unternehmen auch komplexeste Projekte inklusive Antriebsstrang, Ladeinfrastruktur und Software. In Eigenprodukte wird ebenfalls investiert, etwa in den Heimspeicher „Mavero“, der – an der Wand montiert – Strom aus jeder erneuerbaren Energieform speichern und täglich genügend Strom für einen durchschnittlichen Privathaushalt liefern kann.

Austausch der Städte

Das Smart-City-Konzept beinhaltet selbstverständlich auch den Ansatz, dass Städte sich untereinander vernetzen und voneinander lernen. Smart-Cities-Symposien finden heute rund um den Globus statt. Zahlreiche Ausschreibungen, Wettbewerbe und Awards fördern die Partizipation, so etwa der „Smart City Innovator of the Year Award“, der vom TMForum ausgelobt wird. Das TeleManagement Forum ist eine Arbeitsgemeinschaft von über 700 Unternehmen der IT- und Telekommunikationsindustrie aus mehr als 70 Ländern. Stadtverwaltungen, Versorgungsunternehmen oder -organisationen können teilnehmen. Die eingereichten Projekte werden von der Jury darauf untersucht, ob der Einsatz einer innovativen Technologie das Leben der Bürger verbessert, ob die Zusammenarbeit mit anderen Städten auf diesem Feld möglich ist und sich das Potenzial für andere Städte hinsichtlich der Verbesserung für Gesundheit, Wohlstand oder Wohlbefinden messen lässt. Es werden aber auch finanzielle Aspekte wie Leistbarkeit begutachtet und Standardisierbarkeit oder Einzigartig des neuen Ansatzes.

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Datum: 27.06.2017

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