© BIG/Herman Seidl

Kommunen - Contracting vor dem Aus?

Vor etwa fünf Jahren galt Contracting als das Finanzierungs-Modell für Gemeinden schlechthin. Doch richtig durchsetzen konnte sich Contracting bei Kommunen nie, der erwartete Boom blieb aus.

Wenn in Neusiedl am See abends die Lichter angehen, dann klingelt es förmlich in der Gemeindekasse. Energiecontracting heißt der Schlüssel, mit dem die Gemeinde einen Großteil der Energiekosten für ihre Straßenbeleuchtung einspart. Vor knapp drei Jahren entschied Neusiedl, dass die Straßenbeleuchtung neu gemacht werden musste. Die alte Anlage war für die burgenländische Gemeinde hinsichtlich Service und Wartung zu teuer. Seit März 2005 arbeitet Neusiedl nun mit der Bewag Licht & Service und mit Siemens im Rahmen eines Contracting-Projektes zusammen.

Bauamts-Leiter Christian Harrer: "Der Hauptgrund für uns war der Service- Aspekt, die Wartung der Straßenbeleuchtung: Mit dem Contracting-Geber wurde fixiert, dass Schäden bei den Beleuchtungskörpern in wichtigen Straßen innerhalb von 24 Stunden behoben werden müssen, in Nebenstraßen innerhalb von 48 Stunden." Seither wurde eine neue Anlage mit 2.250 Leuchten, 21 Verteiler und etwa 18 Kilometer Erdverkabelung errichtet. "Wir sind noch im Endumbau und werden voraussichtlich im Juni ganz fertig sein", sagt Harrer. "Richtig beurteilen können wir das Projekt erst, wenn alles fertig und in Betrieb ist. Aber die Einsparungen werden sich im Endausbau auf etwa 40 Prozent der Energiekosten belaufen." Doch das Beste daran: "Für uns entstanden keine Investitionskosten. Es wurde alles von der Bewag bezahlt."

Modernisieren ohne zu investieren In vielen Gemeinden beißt sich die Katze selbst in den Schwanz: Um Geld zu sparen, müsste selbiges zuerst investiert werden. Auf der einen Seite alte, sanierungsbedürftige Anlagen, die viel zu viel Energie verbrauchen, und auf der anderen Seite ein meist knappes Haushaltsbudget. Da kommt das Contracting- Versprechen der Anbieter gerade recht: modernisieren ohne einen Cent zu investieren - das würde doch passen! Dabei ist Contracting bei Weitem kein Phänomen unserer modernen Zeit. Schenkt man den Überlieferungen Glauben, so hat der schottische Erfinder James Watt schon im 18. Jahrhundert die Idee des Contractings geboren: "Wir werden Ihnen kostenlos eine Dampfmaschine überlassen. Wir werden diese installieren und für fünf Jahre den Kundendienst übernehmen. Wir garantieren Ihnen, dass die Kohle für die Maschine weniger kostet, als Sie gegenwärtig an Futter für die Pferde aufwenden müssen, die die gleiche Arbeit tun. Und alles, was wir von Ihnen verlangen, ist, dass Sie uns ein Drittel des Geldes geben, das Sie sparen."

Vielleicht sind Pferde und Kohle als Energielieferanten ein bisschen obsolet geworden. Aber ansonsten hat sich am Modell des Contractings nicht viel geändert. Beim heutigen Contracting schließt die Gemeinde einen scheidenden, großen Vorteil für die Stadt hätte es einfach nicht gegeben. Contracting wird bei uns politisch negativ gesehen. Man will diese Agenden einfach nicht aus der Hand geben", sagt Million und erklärt: "Natürlich hat man auch beim Contracting ein Mitspracherecht, aber wir wollen beispielsweise, dass die Servicierung an unsere heimischen Betriebe vergeben wird. Für uns ist Contracting derzeit kein Thema." Im Salzburger Bischofshofen ist das Thema Contracting ebenfalls bereits abgehakt. "Wir sind autonom und machen das alles selbst", erzählt Amtsleiter Andreas Simbrunner. Als der Bereich Energieeinsparung bei der Straßenbeleuchtung aktuell wurde, hat die Gemeinde Experten zu Rate gezogen. Mit der Konsequenz, dass die Maßnahmen zur Energiereduktion von der Gemeinde selbst umgesetzt und finanziert wurden. "Wir haben genügend Ressourcen und für uns ist es günstiger, es ohne fremden Partner zu machen", resümiert Simbrunner. "Die großen Wellen sind vorbei"

Aber auch für den Contracting-Geber ist nicht jede Kommune interessant. Dieter Pietschmann, Projektmanager und Sprecher von Central Danube Region, einem Unternehmen von Raiffeisen und der Stadt Wien: "Einspar- Contracting für eine Kommune zahlt sich aus, wenn sich für die vier größten Gebäude der Gemeinde 80.000 bis 100.000 Euro Jahresenergiekosten erzielen lassen." Ab dieser Größenordnung lassen sich dann Einsparung zwischen 25 und 40 Prozent erzielen. "Mit der neu entfachten Energiedebatte kommt Contracting wieder ins Gespräch. Trotzdem ist Einspar-Contracting nicht so bekannt, wie es sein sollte", findet Christian Lacher, Leiter des Contracting-Bereichs bei Raiffeisen Leasing. Die Anfragen seitens der Kommunen nach Energiespar-Modellen sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen. "2002 und 2003 entstanden im Fahrwasser der BIG viele neue Projekte. Jetzt sind die großen Wellen mit Ausschreibungen vorbei", erzählt Lacher.

Vielleicht auch deshalb, weil Gemeinden die Sache lieber selbst in die Hand nehmen, als sich an einen Partner zu binden. Besonders die langfristigen Verträge, die träge Reaktionsfähigkeit und fehlende Kontinuität seitens der Leistungserbringer bereiten große Probleme, erzählen zwei Gemeinden, die mit namhaften Contracting-Gebern zusammenarbeiten. Namentlich erwähnt werden wollen beide Gemeinden nicht, denn immerhin stünden sie in einer gewissen Abhängigkeit von diesen Unternehmen. Und auch in einem anderen Punkt sind sich diese Kommunen einig: Contracting- Projekte würden sie nur mehr sehr eingeschränkt weiterempfehlen.

Die Stadtverwaltung von Wiener Neustadt in Niederösterreich hat beide Seiten getestet: die Partnerschaft mit einem Contractor und die Doit- yourself-Variante. Bis 2006 wurden einige Straßenzüge gemeinsam mit der damaligen VA Tech aufgerüstet und die Straßenbeleuchtung effizienter gestaltet. Die finanziellen Einsparungen betrugen ungefähr 25 Prozent. Nachdem die VA Tech als eigenständiges Unternehmen vom Markt verschwand, hat die Stadt die Maßnahmen zur Energieeinsparung selbst in die Hand genommen. "Den Contracting-Effekt gibt es jetzt in abgeschwächter Form durch unser neues eigenes Beleuchtungssystem. Das steuert für uns die Energiezufuhr und bringt trotzdem den Effekt einer Energieeinsparung. Es ist sozusagen eine abgespeckte Contracting- Variante, die wir selbst betreiben", sagt Bauhofleiter Gerald Sinabel. Derzeit seien es Budgetgründe, die es nicht erlauben, größere Maßnahmen in die Wege zu leiten. Aber im Laufe des Jahres könnte ein neuer Contracting-Anbieter aktuell werden, kündigt Sinabel an: "Contracting bleibt bei uns ein Thema."

AutorIn:
Datum: 19.08.2009

Inspiration & Information abonnieren - mit dem wohnnet Newsletter

Weitere Artikel aus dem Channel Verwaltung

Shutterstock

Verwaltung

FM ist mehr als Technik und Reinigung

Facility Management trägt direkt zum Unternehmenserfolg bei, denn es unterstützt die Organisationsentwicklung bei ...

Daniel Jedzura/shutterstock.com

Verwaltung

FM-Analyse: Mieter heizen mehr als Eigentümer

Studienautorin Lisa Hupf hat eine interessante Frage geklärt: Wer verbraucht mehr Heizenergie - Mieter oder ...

Shutterstock

Verwaltung

Umfrage Hausverwalter

Eine Gallup-Umfrage unter Hausverwaltern zeigt: Der Druck seitens der Bewohner auf die Hausverwaltungen steigt. Das ...

FMA

Verwaltung

Neue Leitlinien für nachhaltiges Facility Management

Gemeinsam mit klima:aktiv hat die Facility Management Austria Leitlinien für den nachhaltigen Betrieb von Gebäuden ...

Photographee.eu/shutterstock.com

Verwaltung

Alles über den 20. ATGA Facility Kongress

Der 20. ATGA Facility Kongress fand auf Schloss Laxenburg statt. Die Vorträge standen heuer im Fokus der Themen ...

Schatzl

Verwaltung

In der Krise nicht bei Wartungskosten sparen

In Krisenzeiten fällt der Strich mit dem Sparstift leicht – und landet des Öfteren beim Rechungsposten ...

Shutterstock/IM_photo

Verwaltung

Facility Management auf exotischen Wegen

Der Luftraum wird sicherer, der Straßenbau optimiert, Architektur richtet sich nach der Persönlichkeit der Nutzer: ...

shutterstock

Verwaltung

Leuchtender Anstrich weist den Weg

Ein spezieller Anstrich lädt sich bei Tag mit Licht auf und leuchtet in der Nacht. Vor allem für Notausgänge ist ...

shutterstock

Verwaltung

Abwärme von Rechenzentrum als Energiequelle

Die Abwärme von Rechenzentren kann sinnvoll verwendet und so für den Umweltschutz etwas Positives getan werden