Neue City für Warschau
Was der dynamischen Skyscraper-City Warschau fehlte, war eine wirkliche Innenstadt mit dicht aneinanderliegenden Häusern, Gassen, Verkehr und Bewegung. Der neue Masterplan eines Londoner Studios soll nun dem abhelfen.
Die Architekturfirma Aedas, die auch schon für das Empire Tower in Abu Dhabi, das walisische Parlament, das North Star in Peking oder für Teile des Flughafens von Hongkong verantwortlich zeichnete, hat nun einen Plan zur Neuentwicklung des Plac Defilad im Zentrum von Warschau vorgelegt.
Der Platz, wegen seiner Weite, fehlenden Struktur und Unübersichtlichkeit ein klassischer Nicht-Ort, ist durch die Geschichte der polnischen Hauptstadt in erster Linie emotional besetzt. Hier befand sich während der deutschen Besatzung 1939-1944 das Ghetto, das von den Nazis dem Erdboden gleichgemacht wurde. Nach der Befreiung wurde hier als Geschenk Stalins der hässliche, als Wahrzeichen des sozialistischen Warschaus gedachte Kulturpalast hochgezogen. Der Platz davor wurde zu einer riesigen urbanen Einöde umfunktioniert, der einzig und allein den KP-Aufmärschen diente.
Kein gewaltiger Platz, sondern nur fulminante Leere
Obwohl nach der Wende in seiner unmittelbaren Umgebung ein spektakulärer Wolkenkratzer nach dem anderen, ein neues, dynamisches Warschau entstand, das gezielt von seiner Vergangenheit Abschied nahm, blieb der Plac Defilad ein ungelöstes städtebauliches Problem, aber mit seinen 25 Hektar auch eine gewaltige Möglichkeit für die Stadtplanung. Allein dessen Umbau wurde immer wieder hinausgezögert.
Den nun veröffentlichten, neuen Masterplan beschreibt Michael Kus, einer der Direktoren des renommierten weltweit agierenden Büros mit Sitz in London, wie folgt: "Alle bisherigen Entwürfe sprachen unserer Ansicht nach die Grundfrage nicht an, warum dieser Teil Warschaus seine Aufgabe als wirkliches Stadtzentrum nicht erfüllen kann - einfach, weil er mit dem Rest der Stadt in keinerlei Verbindung steht. Unsere Intervention wollte dies aufzeigen und klar machen, dass es nicht so bleiben muss und dabei die Debatte um diesen Platz auf das Wesentliche fokussieren."
Der Entwurf von Aedas führt zwei tragende Innovationen ein um die Kommunikation mit der umliegenden urbanen Gewebe zu verbessern, in dem sich unter anderen auch das spektakuläre neue Hochhaus von Daniel Libeskind - Zlota 44 - befinden wird. Einerseits wird eine der Magistralen der Stadt, die Marszalkowska, etwas versenkt, womit eine Fußgängerverbindung zwischen dem Platz und der inzwischen von der Pike auf renovierten Altstadt im Osten hergestellt wird. Einerseits wird eine der Magistralen der Stadt, die Marszalkowska, etwas versenkt, womit eine Fußgängerverbindung zwischen dem Platz und der inzwischen von der Pike auf renovierten Altstadt im Osten hergestellt wird. Andererseits wird vor dem Hauptbahnhof eine erhöhte Ankunftsplattform über der Emilia Platerstraße geschaffen - wo sich die neuen Büro- und Einkaufszentren wie Zlota Tarasy, Lumen und Skylight befinden. Damit wird, umgeben von zahlreichen neuen Büro- und Dienstleistungsgebäuden ein dichter Raum, ein authentischer Platz geschaffen, an dem sich zudem mehrere Eisenbahn- und U-Bahnstationen befinden, was ein hohes Fußgängeraufkommen garantiert.
Verdichtung als Garant für Urbanität
Die Bauhöhe dieser neuen Bauten nimmt aber nicht nur Rücksicht auf die zahlreichen unterirdischen Bauten, sondern eben auch auf den Kulturpalast, trotz allem ein Wahrzeichen der Stadt und zu dem die Warschauer inzwischen eine eigenartige Hassliebe entwickelt haben.
Das Projekt der Gruppe Aedas zollt dabei aber auch dem Bau im Stil des Stalinbarock einen gewissen Respekt, schwächt aber, anders als alle anderen vorherigen Projekte, seine Dominanz doch auch wieder ab: Tragendes Element des Masterplans für den Plac Defilad ist die bauliche Verdichtung des Platzes und damit die Schaffung eines neuen zentralen urbanen Raumes - der sich, sollte er tatsächlich realisiert werden - durchaus zu einem neuen Stadtzentrum Warschaus entwickeln könnte, was der polnischen Hauptstadt ja noch immer fehlt.