Neues Wohnen im Alter: Wir helfen uns selber, wer macht mit?
Die "neuen Alten" wollen nicht versorgt werden, und sie wollen auch nicht alleine leben, sondern in Gemeinschaft mit anderen. Gemeinschaftliches Wohnen soll gefördert werden, so die Architektin und Stadtplanerin Freya Brandl in ihrem Gastkommentar.
Geringere Pensionen, höhere Lebenshaltungskosten, Kaufkraftverluste, Aktien-Crashes: die Finanzkrise verunsichert auch ältere Menschen. Werden sie in Zukunft noch gut leben können? Zugleich kommt die Nachricht, dass die Energiepreise für Strom und Gas erhöht werden. Kommen ältere Menschen dann mit ihren Pensionen noch aus? Können sie die Energie- bzw. Betriebskosten für ihre meist relativ-großen ehemaligen Familienwohnungen noch bezahlen? Die Finanzkrise zwingt auch Ältere zum Umdenken und eventuell auch zur Änderung ihrer Wohnsituation. Ökologische und ökonomische Zusammenhänge müssen erkannt und neue Schritte gewagt werden.
Die Stadt Wien sagt: "Ältere Menschen können in ihren Wohnungen bleiben - solange es geht. Mobile Dienste kommen ins Haus und versorgen sie, falls es notwendig ist". Aber wird das in Zukunft - im Blick auf den demographischen Wandel - noch möglich sein, wenn jeder/jede Dritte im Alter von 60plus sein wird?
Die "neuen Alten" wollen nicht versorgt werden, und sie wollen auch nicht alleine leben, sondern in Gemeinschaft mit anderen. Nachdem gemeinschaftliche Wohnprojekte auf dem Wohnungsmarkt noch nicht angeboten werden, werden die "neuen Alten" selbst aktiv und suchen eine Gruppe bzw. ein passendes Wohngebäude, in das eine Wohngemeinschaft integriert werden kann.
Vereinzelt werden gemeinschaftliche Wohnprojekte für Alt und Jung in Form von Baugruppen in neuen Stadtentwicklungsgebieten realisiert. Wünschenswert wäre es, wenn auch bei der Sanierung bestehender innerstädtischer Wohngebäude durch Umbau eines oder mehrerer Geschosse neue Wohnformen für Ältere bzw. Alt und Jung geschaffen werden, denn die notwendige Infrastruktur wie Geschäfte, Café s, öffentliche Verkehrsmittel etc. ist vorhanden und muss nicht neu geschaffen werden.
Gemeinschaftliches Wohnen sollte durch angepasste Rahmenbedingungen von der öffentlichen Hand gefördert werden, denn die Kommunen sparen Zeit, Geld und Ressourcen. Gegenseitige Hilfe ist möglich und Synergieeffekte können genutzt werden. Die Physiotherapeutin kommt gleich zu mehreren und muss nicht - quer durch die Stadt - jede einzelne aufsuchen und versorgen. Der Einsatz mobiler Dienste (Essen auf Rädern, Hauskrankenpflege etc.) könnte reduziert und individuelle und volkswirtschaftliche Kosten gespart werden.
In Deutschland und in den skandinavischen Ländern gibt es bereits viele Beispiele von alternativen Wohnformen für Ältere. Auch in Österreich ist es an der Zeit, den Bau von Wohnungen für Ältere zu forcieren, die ökonomisch leistbar sind und gleichzeitig den geänderten Ansprüchen hinsichtlich eines selbstbestimmten und kommunikativen Lebens im Alter gerecht werden. Der zunehmende Bedarf wird durch die weitere Errichtung von Seniorenheimen kaum zu decken sein – sowohl aus Kostengründen als auch aus Gründen der immer geringeren Akzeptanz dieser Wohnform durch die "neuen Alten".