Kritik an ORF-Vergabe: Wasser predigen und Wein trinken
Wie der öffentlich-rechtliche ORF als Privatunternehmen den Küniglberg saniert: Matthias Finkentey, organisatorischer Leiter der IG Architektur, kritisiert in seinem Gastkommentar ORF und heimisches Vergabegesetz.
Am 3.9.2013 um Punkt 12 Uhr war Abgabeschluss einer nicht einmal vier Wochen vorher veröffentlichten Ausschreibung, mit der die Arbeiten zur Renovierung und zum Ausbau des ORF Standortes am Wiener Küniglberg vergeben werden sollen. Die Liste der an diesem Verfahren teilnehmenden PlanerInnen liegt uns natürlich nicht vor – sie wird aber in jedem Fall exklusiv sein und den einen oder anderen bekannten Namen enthalten. Denn als Referenzen zählten – um nur zwei brisante zu nennen - Jahresumsätze von weit über 10 Millionen Euro in den letzten drei Jahren und der Bau eines Veranstaltungszentrums mit Genehmigung für über 900 BesucherInnen. Effekt: 99,9 Prozent der österreichischen Architekturbüros sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Wir finden – das ist „rein rechtlich“ vielleicht machbar – aber „öffentlich-rechtlich“ eine Sauerei. Interessant erscheint Eingeweihten auch die Tatsache, dass der ORF die Vergabe als Privatunternehmen durchführen möchte. Na was nun – öffentlich-rechtlich kassieren und privat ausgeben?
Die „rein rechtliche“ Einspruchsfrist ist mittlerweile abgelaufen. Dennoch fordern wir den ORF – natürlich als „privaten Auftraggeber“! - auf, das Verfahren zu überdenken, vor allem eine Trennung der Vergabe der Sanierung des Altbestandes von der Vergabe der Neubauten zu ermöglichen. Sonst führt dies, falls der ORF sich nicht doch eines Besseren besinnt, zu einer zwar mittlerweile gewohnten, aber nicht weniger unkreativen Einschränkung der Arbeiten der Architekturschaffenden an den Neubauten.
Falls sich der Aufschrei der 99,9 Prozent in Grenzen halten sollte, wundern Sie sich nicht. Irgendwie geht der Überraschungseffekt über solch unfaire Ausschreibungen für einen eingeschränkten TeilnehmerInnenkreis gegen Null. Sie gehören nämlich zur Tagesordnung. Im Übrigen sind wir der Meinung, das Vergabegesetz möge reformiert werden und rechtlich ermöglichen, dass der Zugang zur Erbringung von Planungsleistungen wieder öffentlich ist.
Zusatz der Redaktion:
immonet.at fragte bei Vergaberecht-Experten Thomas Kurz von der Kanzlei Heid Schiefer Rechtsanwälte nach. Hier die Stellungnahme zum Thema:
"Der Gastkommentator aus der IG Architektur kritisiert dies völlig zu Recht. Diese Vorgangsweise, wenn sie tatsächlich so stimmt, ist aber auch „rein rechtlich“ nicht korrekt; jedenfalls nicht, wenn man der Entscheidung des Bundesvergabeamts vom 27.9.2012 (F/0005-BVA/02/2012-28 und F/0006-BVA/02/2012-28) folgt, nach der der ORF eindeutig als öffentlicher Auftraggeber das Bundesvergabegesetz einzuhalten hat.
Eine solche Vorgangsweise ist allerdings dann „machbar“, wenn sich keiner aus der beteiligten Branche (hier also: kein Architekt) findet, der diese Vorgangweise beim Bundesvergabeamt bekämpft, denn das Bundesvergabegesetz funktioniert diesbezüglich wie der Zivilprozess: Wo kein Kläger, da kein Richter. Das ist in Wahrheit das Problem (wie auch im Kommentar angemerkt wird: der Aufschrei der diskriminierten Verkehrskreise hält sich in Grenzen)."
Thomas Kurz