Baubranche unter Korruptionsverdacht
Ausschreibungsverfahren sind laut Befragung notwendig und erfolgversprechend, werden aber auch als komplex und arbeitsintensiv gesehen. Vor allem Preis-Matches können, so Experten, Nährboden für Korruption sein.
Eine repräsentative Befragung von rund 500 öffentlichen und privaten Auftraggebern sowie Auftragnehmern in Österreich zeigt: Ausschreibungsverfahren werden allgemein als notwendig, erfolgversprechend und transparent erachtet. Sie verbessern die Chancengleichheit, unterbinden Freunderlwirtschaft und sparen Kosten. Aber: Sie werden auch als aufwändig, komplex und arbeitsintensiv gesehen. Vor allem öffentliche Ausschreibungen in der Baubranche werden kritisch betrachtet.
Preis-Match: Nährboden für Korruption
So ortet laut Heid Schiefer Report fast ein Viertel (23 %) der Auftragnehmer in der Baubranche Fälle von Korruption in Bauausschreibungen öffentlicher Auftraggeber – rund dreimal so viele wie etwa in der Gesundheitsbranche. „Diese Ergebnisse spiegeln die angespannte wirtschaftliche Lage in der Baubranche wider. Durch das vorherrschende Billigstbieterprinzip sind Auftragnehmer vielfach gezwungen, sich auf ein ruinöses Preis-Match einzulassen. Dies kann der Nährboden für Korruption sein,“ kommentiert Stephan Heid, Partner von Heid Schiefer Rechtsanwälte, die Ergebnisse aus der Bauwirtschaft.
Billigstbieter vor Bestbieter
Walter Bornett, Direktor der KMU Forschung Austria und Vizepräsident des Aufsichtsrats der Austrian Cooperative Research (ACR) ergänzt: "Viele, vor allem Kleinst- und Kleinbetriebe, beteiligen sich nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen, weil ihnen der administrative Aufwand zu groß ist und sie die Erfahrung haben, dass nicht der Bestbieter sondern der Billigstbieter den Zuschlag bekommt" und fordert: "Speziell auf regionaler und lokaler Ebene sollten durch eine starke Berücksichtigung nichtpreislicher Faktoren - zum Beispiel Ausbildungsleistung, Umweltaspekte, etc. - positive Signale an die Klein- und Mittelbetriebe in der Region gesendet werden."
Kaum Bedarf an EU-weiten Ausschreibungen
Mehr als zwei Drittel der privaten Auftraggeber sehen in EU-weiten Wettbewerben keinen Vorteil. 67 Prozent der öffentlichen Vergabeverfahren wurden 2013 EU-weit durchgeführt. Trotzdem scheint der Trend in eine andere Richtung zu zeigen. So sehen Auftraggeber aus der Baubranche im Vergleich zu anderen Branchen am wenigsten Bedarf für EU-weite Ausschreibungen (67 % orten keinen Bedarf). Als mögliche Gründe führen die Experten von Heid Schiefer Rechtsanwälte das bestärkte Bestreben zu Regionalvergaben und Verwaltungskooperationen an. So nennen 26 Prozent der öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit von Kooperationen als Hauptgrund, in Zukunft keinen verstärkten Bedarf an EU-weiten Ausschreibungen zu sehen.
Bei privaten Auftraggebern zeigt sich der Trend klarer: Da sie mit der gebotenen Qualität durch Ausschreibungen bereits jetzt sehr zufrieden sind, sehen sie laut Befragung keinen Bedarf, EU-weit auszuschreiben. Am stärksten zeigt sich der Trend bei Auftragnehmern: Zwei Drittel von ihnen haben noch nie an einer EU-weiten Ausschreibung teilgenommen. "Für alle Beteiligten kann die – bis Ende 2018 in allen EU-Mitgliedstaaten verpflichtend umzusetzende – elektronische Ausschreibung mit Hilfe klar strukturierter Abläufe und Fristenrechner massiv dazu beitragen, die Kommunikation und die zeitliche Planung zu optimieren", so die Experten von Heid Schiefer.