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Interview Amann III - Bestes Wohnbau-Modell

Wohnbau-Experte Wolfgang Amann stellt dem Modell des Gemeinnützigen Wohnbaus Bestnoten aus. Aber auch hier stellen sich Fragen über die vorherrschende Preispolitik, Anspruch und sozialen Mix.

Das österreichische Modell des Gemeinnützigen Wohnbaus gilt als stabilisierend. Woran liegt das – auch im internationale Vergleich?
Wolfgang Amann: Wir beschäftigen uns mit diesem System seit ungefähr 20 Jahren und haben zahlreiche Studien zum internationalen Vergleich angestellt. Mit jeder Studie bestätigt sich, dass wir in Österreich erfreulicherweise eines der besten Modelle haben. Es kollidiert ein wenig mit der liberalmarktwirtschaftlichen Grundausrichtung der Union. Die EU strebt ja an, dass auch Produkte wie Wohnungen im Wesentlichen von den Märkten unter liberal-marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereitgestellt werden. Nun ist es so, dass der Gemeinnützige Sektor in großem Maße wettbewerbsorientiert ist, nicht nur dass die Unternehmen untereinander im Wettbewerb stehen. Es sind auch umfangreiche Marktmechanismen in das System eingebaut, etwa bei der Finanzierung oder bei der Beschaffung von Bauleistungen. Es ist also ein Sektor, der keineswegs außerhalb des Marktes steht. Es kann außerdem nicht behauptet werden, dass mit den geförderten Leistungen des Gemeinnützigen Sektors marktmäßig agierende Unternehmen verdrängt würden. Der Sektor erbringt im Wesentlichen Leistungen, die ein ungeregelter Markt kommerzieller Anbieter in dieser Form nicht liefern könnte.

Wenn wir uns andere Metropolen ansehen: Leistbarer Mietwohnbau funktioniert unter reinen Marktbedingungen meist nicht. Der Markt funktioniert in vielen europäischen Metropolen sehr gut im hochpreisigen Segment und bei Eigentumswohnungen, sehr schlecht bei leistbaren Mietwohnungen, v.a. für mittlere und untere Einkommensschichten. Da braucht man Alternativen. Ich bezeichne den Gemeinnützigen Wohnbau deshalb als einen „alternativen Business-Case“ zum normalen Business-Case eines Immobilienunternehmens. Die Unternehmen sind im Wesentlichen privatwirtschaftlich organisiert, einige der effektivsten Immobilien-Firmen zählen zum Gemeinnützigen Sektor. Sie erfüllen aber auch einen öffentlichen Auftrag, nämlich Wohnraum zu günstigen Konditionen zu schaffen. Im Gegenzug bekommen sie staatliche Subventionen und eine Körperschaftssteuer-Befreiung. Darüber steht ein sehr rigides System der Aufsicht und Kontrolle. Dieses Aufsichts-Instrumentarium ist aus meiner Sicht einer der Erfolgsfaktoren des Sektors. Wir haben fast keine negativen Schlagzeilen aus dem Gemeinnützigen Sektor seit mehr als 20 Jahren – ein Performance-Nachweis, der mehr zählt als alle theoretischen Erwägungen.


Die Niederlande sorgten mit eine Kehrtwende in seiner Wohnpolitik für Aufmerksamkeit.
Amann: In den Niederlanden haben wir einen Gemeinnützigen Sektor, der noch deutlich stärker ist als in Österreich. Allerdings hat es dort eine Entkoppelung zwischen diesem Sektor und der Politik gegeben. Der Sektor war seit den 1990er Jahren weder über eine Aufsicht noch über die Finanzierung abhängig vom Staat. Und der Staat hat sich jetzt quasi das Machtmonopol über Wohnungspolitik wieder zurück geholt. Nach meiner Interpretation ist das der Hintergrund für diese massiven Verwerfungen in der Wohnungspolitik in den Niederlanden. Dort wurde ja ein Paradigmen-Wechsel durchgedrückt, der den Gemeinnützigen Sektor gezwungen hat, große Teile der Bestände zu verkaufen und bei der Neuvergabe von Wohnungen ausschließlich unterste Einkommen anzusprechen. Mittlere Einkommen werden sukzessive aus dem Sektor verdrängt, indem sie einkommensbezogen höhere Mieten bezahlen. Die längerfristigen Auswirkungen sind nicht rosig. Die Niederlande waren bisher eine äußerst integrative Gesellschaft, wo die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten Tür an Tür gewohnt haben, es nie Probleme mit Ghettos oder Krawallen gegeben hat. Wenn ein junger Mensch ausschließlich in einer Umgebung aufwächst, wo 30 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht, wo die Freunde nur herumhängen und sich zudröhnen, da entsteht eine Spirale nach unten, die für große Teile der jungen Bevölkerung die Lebensperspektive massiv einschränkt. Im Gegensatz dazu, wenn ein einkommensschwacher junger Mensch in der Umgebung des Mittelstandes aufwächst und durch Ausbildung Perspektiven hat, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass er auch selber die Kurve kratzt und einen gesellschaftlichen Aufstieg erreicht.

Sozialer Mix, Leistbarkeit, Anspruch – Ist die Preispolitik der Gemeinnützigen zu überdenken?
Amann: Sicherlich bedarf es permanenter Anstrengungen, die Kosten im Griff zu behalten und auf die Leistbarkeit zu schauen. Wir sind hier auf einer Gratwanderung: Auf der einen Seite haben wir im internationalen Vergleich eine sehr gute Performance, auf der anderen Seite hängt diese Performance davon ab, dass man permanent schaut, dass die Kosten niedrig gehalten werden. Ludwig Scharinger, Ex-RLB-Chef, hat einmal von einem Kosten-Staubsauger gesprochen, der permanent durch alle Bereiche seiner Bank durch muss. So etwas Ähnliches trifft auch auf den Wohnbau zu. Wir sind hier also in einem Widerspruch: Auf der einen Seite ist der Gemeinnützige Wohnbau hervorragend geeignet, neue Standards wie Passivhaus-Standard einzuführen, auf der anderen Seite haben wir immer den Druck, Leistbarkeit sicher zu stellen.


Es soll Fälle von Bewohnern geben, die gar keinen Anspruch hätten, bzw. scheinen viele Mieten der Gemeinnützigen für die eigentliche Klientel kaum leistbar.
Amann: Alle müssen beim Einzug Einkommensgrenzen unterschreiten. Es wurde viel diskutiert, ob die Einkommen auch nachträglich überprüft werden sollten, ob bei zu hohen Einkommen die Mieten angepasst oder die Anspruchsberechtigung enden sollte. Man ist seit langem weitgehend einer Meinung, dass im Sinne der Integration unterschiedlicher Schichten diese „Fehlbelegung“ in Kauf genommen wird. Zumal ja unser System bewirkt, dass die Förderung der einzelnen Wohnung gar nicht so hoch ist. Wir sprechen hier von einer Größenordnung von 20 Prozent der Kosten nach Barwert, die aus öffentlichen Mittel in eine Wohnung fließen. Angesichts des relativ moderaten Transfervolumens ist es vertretbar, dass auch Haushalte, die aus der eigentlichen Anspruchsberechtigung heraus gewachsen sind, weiterhin eine geförderte Wohnung in Anspruch nehmen. Noch ein Argument ist wichtig: Geförderte Wohnungen kommen insbesondere jungen Haushalten zugute. Wenn man in dieser Lebensphase moderate Wohnkosten genießt, ist das die beste Voraussetzung dafür, dass man sich finanziell und gesellschaftlich konsolidiert. Leistbarer Wohnbau ist also ein Motor zur Schaffung von Mittelstand. Hinsichtlich der untersten Einkommensschichten: es fallen nicht allzu viele durchs Netz. Es kommt aber natürlich vor, dass Personen und Haushalte durch alle sozialen Auffangnetze fallen. Aber das ist weniger ein wohnungspolitisches, als ein sozialpolitisches Problem.

Ein ständiger Reibungspunkt ist die Kaufoption.
Amann: Die Kaufoption ist ein ziemlich kompliziertes Modell. Es kostet den Staat nichts, führt aber zu einer besseren Anmutung des Produkts Wohnung. Es ist auch für den Bauträger von Vorteil: Die Mieter gehen pfleglicher mit der Wohnung um. Hinsichtlich des Finanzierungsmodells ist es so: Die Einmalzahlungen – immerhin in Wien etwa 600 Euro pro Quadratmeter beim Einzug – sind eine sehr wichtige Komponente des Finanzierungsmix. Die bekommt man zurück, allerdings um ein Prozent pro Jahr wegen der „Verwohnung“ verringert. Wenn man die Wohnung nach 10 Jahren kauft, werden diese 90 Prozent auf den Kaufpreis angerechnet. Dass die Mieten der ersten zehn Jahre nicht in den Kaufpreis einfließen, stimmt nicht ganz. Auf der einen Seite ist es so, dass es nun einmal Mieten sind und keine Anzahlungen. Auf der anderen Seite: Bei der Festlegung des Kaufpreises wird berücksichtigt, dass es sich um eine gebrauchte Wohnung mit aufrechtem unbefristetem Mietverhältnis handelt. Allein daraus ergibt sich ein Preis deutlich unter dem Marktniveau.

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Datum: 12.07.2012

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