Konkurrenz und Arbeitskräfte aus Osteuropa – die Änderungen
Die arbeitsrechtlichen Übergangsbestimmungen für Bulgarien und Rumänien laufen Ende 2013 aus. Für Neo-EU-Mitglied Kroatien treten sie gerade in Kraft. Was das für die heimische Wirtschaft bedeutet erklärt Jurist Thomas Kurz.
Österreich hatte bereits beim EU-Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn (1.5.2004) darauf bestanden, für eine Übergangszeit von maximal sieben Jahren die Arbeitnehmerfreizügigkeit (also das Recht jedes EU-Bürgers, überall in der EU eine unselbständige Tätigkeit auszuüben) und die Dienstleistungsfreiheit (also das Recht jedes Unternehmers mit Sitz in der EU, überall in der EU seine Leistungen anzubieten und auszuüben) beschränken zu dürfen. Die Übergangsfristen hinsichtlich dieser Staaten sind Ende April 2011 ausgelaufen.
Die inhaltlich gleichen Übergangsbestimmungen für Bulgarien und Rumänien laufen erst mit Ende des Jahres 2013 aus, weil diese beiden Staaten später der EU beigetreten sind. Seit 1.7.2013 kommt nun noch Kroatien als neuer Mitgliedstaat der EU hinzu, und auch für diesen hat Österreich auf den gleichen Übergangsbestimmungen bestanden. Für Kroatien gelten diese also voraussichtlich bis 30.6.2020 (es ist zu erwarten, dass Österreich auch hier die vollen sieben Jahre ausschöpft).
Die Beschränkungen dieser Grundfreiheiten des EG-Vertrages sind in einem groben Überblick folgende:
Arbeitnehmerfreizügigkeit: Staatsbürger aus Bulgarien, Rumänien und Kroatien dürfen in Österreich nicht frei beschäftigt werden, sondern nur, wenn eine entsprechende Bewilligung gemäß Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vorgewiesen werden kann (eine Darstellung aller möglichen Bewilligungen und ihrer Unterschiede würde den Umfang dieses Beitrags sprengen). Gesetzestechnisch wurde diese Beschränkung in Österreich so umgesetzt, dass EU-Staatsbürger – genauer: EWR-Staatsbürger, also EU inklusive Island, Liechtenstein, Norwegen – zwar grundsätzlich vom AuslBG ausgenommen sind (§ 1 Abs 2 lit l und m AuslBG), aber diese Generalausnahme für Staatsbürger der obigen osteuropäischen Staaten nicht gilt (§ 32a Abs 1 AuslBG hinsichtlich Bulgarien und Rumänien; Abs 11 hinsichtlich Kroatien).
Dienstleistungsfreiheit: Unternehmen aus Bulgarien, Rumänien und Kroatien dürfen in Österreich zwar unbeschränkt ihre Leistungen anbieten, aber in gewissen Branchen „Ausländer“ im Sinne des AuslBG – also Staatsbürger aus Bulgarien, Rumänien und Kroatien oder aus Nicht-EWR-Staaten – nur dann als Arbeitnehmer für Leistungen in Österreich einsetzen, wenn eine Entsendebewilligung (§ 18 Abs 1 bis 11 AuslBG) vorgewiesen werden kann (§ 32a Abs 6 AuslBG; Abs 10 hinsichtlich Unternehmen aus Bulgarien und Rumänien). Von diesen Branchen ist insbesondere das Baugewerbe samt verwandter Wirtschaftszweige (inklusive der Reinigung von Gebäuden) umfasst. Unternehmen aus den anderen EWR-Staaten benötigen zum grenzüberschreitenden Einsatz solcher Arbeitnehmer in Österreich keine Entsendebewilligung, sondern müssen lediglich die sogenannte „EU-Entsendebestätigung“ (§ 18 Abs 12 AuslBG) beantragen (die Beschäftigung darf aber auch vorher schon begonnen werden). Der Unterschied besteht einerseits darin, dass eine fehlende Entsendebewilligung mit sehr viel strengeren Sanktionen bedroht ist (siehe §§ 28 und 28b AuslBG, sowie auch § 72 Abs 1 BVergG) und andererseits eine Entsendebewilligung sehr schwer zu bekommen ist. Für die Baubranche samt einigen „Nebenleistungen“ ist die Erteilung einer Entsendebewilligung sogar ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen (§ 18 Abs 11 AuslBG).
Das Auslaufen der Beschränkungen per 31.12.2013 für Bulgarien und Rumänien bedeutet daher Folgendes:
1. Österreichische Unternehmen dürfen dann Staatsbürger aus Bulgarien und Rumänien ohne jegliche (zB zeitliche oder mengenmäßige) Beschränkung in Österreich beschäftigen.
Beispiel: Jedes österreichische Bauunternehmen darf dann bulgarische Arbeitnehmer beschäftigen.
2. Auch ausländische Unternehmen – egal, ob aus einem EWR-Mitgliedsstaat oder einem Drittstaat – dürfen dann Staatsbürger aus den genannten osteuropäischen Staaten für Leistungen in Österreich unbeschränkt beschäftigen.
Beispiel: Ein rumänisches Bauunternehmen darf dann bei einem Auftrag in Österreich auch ihre rumänischen Arbeitnehmer einsetzen.
3. Unternehmen aus Bulgarien und Rumänien dürfen dann Leistungen in Österreich durch all jene Beschäftigten ohne Beschränkung ausführen, die sie nach den Bestimmungen ihres Sitzstaates legal beschäftigen – egal, ob diese Beschäftigten EWR-Staatsbürger oder solche eines Drittstaates sind. Bloß die EU-Entsendebestätigung (§ 18 Abs 12 AuslBG) ist hier zu beachten.
Beispiel: Ein rumänisches Bauunternehmen darf dann bei einem Auftrag in Österreich seine bosnischen oder indischen Arbeitnehmer einsetzen, wenn deren Beschäftigung auch in Rumänien legal ist.
Es verbleibt allerdings auch nach Auslaufen der Übergangsbestimmungen eine wesentliche rechtliche und wirtschaftliche „Einschränkung“, nämlich, dass grundsätzlich für alle Beschäftigten, die in Österreich eingesetzt werden – egal, ob von Unternehmen mit Sitz im Inland oder im Ausland – , die österreichischen Mindestlohnbestimmungen gelten. Das rumänische Bauunternehmen müsste seinen rumänischen, bosnischen etc Arbeitskräften für die Arbeit auf österreichischen Baustellen daher nach den österreichischen Kollektivverträgen entlohnen. Geregelt wurde dies insbesondere im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz. Freilich ist eine solche Regelung immer nur so gut wie die Kontrolle ihrer Einhaltung und die Sanktionierung von Verstößen.