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Wohnen: Stimmung im Wahlvolk, Wunsch an die Politik

Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft hat die Wohnzufriedenheit der Österreicher abgefragt: Warum Wohnen im Wahlkampf nicht zum Aufreger-Thema wurde, und was sich der ÖVI von der kommenden Regierung wünscht.

v. l. n. r.: Peter Filzmaier (Politikwissenschaftler, Institut für Strategieanalysen), Georg Flödl (ÖVI-Präsident), Anton Holzapfel (ÖVI-Geschäftsführer), Klaus Wolfinger (ÖVI-Vizepräsident). © Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI)/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Der ÖVI nutzte das Zeitfenster zwischen Urnengang und Regierungserklärung, um im Forum die eigenen Forderungen Richtung Ballhausplatz noch einmal zu präzisieren. Parallel dazu wurde eine im Auftrag gegebene Studie präsentiert, die vom Institut für Strategieanalysen (ISA) im Wahlvolk in den letzten Tagen vor der Nationalratswahl durchgeführt worden war. Erforscht wurde das Stimmungsbild zum Thema Wohnen. Erhoben hat man auch die Eindrücke, die die darüber politisch geführte Debatte bei Herrn und Frau Österreicher – trotz weitgehend fehlendem Diskurs in den TV-Debatten – hinterlassen hat.

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier richtete vom Podium aus, dass es sich keineswegs um eine Blitzumfrage gehandelt hätte. Befragt worden sei in der gesamten Schlusswoche des Wahlkampfes. „Das Ergebnis liegt sehr nah an den Zahlen der Statistik Austria und ist damit schlüssig.“

Mehrheit der Österreicher mit der Höhe der Miete zufrieden

Ein Blick auf die Daten zeigt, dass sich die Österreicher in ihrem Daheim durchaus wohlfühlen; 86 Prozent sind mit ihrer eigenen Wohnsituation sehr bis eher zufrieden. Ein Wert, der gegenüber den Befragungsdurchgängen vor zehn oder zwanzig Jahren sogar noch zugenommen habe, wie der Experte anmerkt. „Eine öffentliche Dramatisierung der Materie ist laut den Zahlen folglich nicht angebracht.“ Besonders groß ist die Zufriedenheit mit dem verfügbaren Platz, auch der Zustand der eigenen vier Wände wird von einer großen Mehrheit, knapp 80 Prozent, gar nicht bis wenig kritisiert. Es wäre laut Filzmaier eine zutiefst menschliche Eigenschaft über den Mietpreis zu jammern – „denn im Zweifelsfall zahle ich immer zu viel“. Laut Studie haben aber 60 Prozent der Befragten keine größeren Probleme mit der Höhe der eigenen Miete.

Hintergrund: Laut Eurostat fließen durchschnittlich rund 22 Prozent der heimischen Konsumausgaben in die eigenen vier Wände. Damit liegt Österreich im europäischen Vergleich im Mittelfeld.

Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier © Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI)/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Thema Wohnen: kein „Aufreger der Nation“

Auch wenn es der Schwerpunkt Wohnen im Ranking der im Zuge des Wahlkampfs diskutierten Themen nur auf Platz neun geschafft hat, aber damit noch vor dem Umweltschutz rangierte, bleibt die Forderung nach leistbarem Wohnen in der Bevölkerung ein zentrales Thema, bekundet Filzmaier. Von einem „Aufreger der Nation“ zu sprechen, hielte er aber für grundlegend verkehrt. Das wiederspreche wesentlich den nüchternen Tatsachen der öffentlichen Meinung. „Viel mehr Differenzierung wäre angebracht“, so der Analyst.

Die Untersuchung zeigt weiters, dass die Bevölkerung durchaus das Problem der steigenden Preise erkennt und bereits Vorschläge zu seiner Lösung parat hat: Neun von zehn Österreicher wünschen sich laut Studie, dass bei der Vergabe von Gemeindewohnungen viel stärker auf die soziale Bedürftigkeit der Mieter zu achten wäre, vier von fünf haben die Forderung nach mehr öffentlichen Förderungen und Geldern für den Wohnbau erhoben.

Problem bei den Jungen und in ärmeren Haushalten

Handlungsbedarf in der österreichischen Wohnpolitik ortet man mit Blick auf die Daten- und Stimmungslage auch beim ÖVI. Denn obwohl die Wohnung für Otto Normalverbraucher noch keine Luxusware darstelle, werde sie vor allem für ärmere Haushalte und junge Wohnungssuchende zur immer größeren Belastung, wie der Interessensverband befindet.

Forderung nach fairem Mietrecht

Daraus ergeben sich für den ÖVI zentrale Fragestellungen, der sich die künftige Regierungsmannschaft laut Flödl besser früher als später stellen sollte – vor allem im Sinne einer "maximalen sozialen Treffsicherheit. Auch wenn Anpassungen im Mietrechtgesetz nicht unmittelbar neuen, leistbaren Wohnraum schaffen, wird mittel‐ und langfristig ein neues, modernes und für beiden Seiten faires Mietrecht nötig sein, um Investitionen in Immobilien und damit die Leistbarkeit des Wohnens für alle Bevölkerungsschichten nachhaltig abzusichern.“

Steuerliche Anreizpolitik

Um den privaten Mietwohnungsbau anzukurbeln, brauche es dem Verband nach vor allem ein Bündel an Investitionsimpulsen. „Die Liste der ohnehin schon in Summe massiven Belastungen für die Immobilienwirtschaft, die in der jüngeren Vergangenheit beschlossen wurden, ist lang“, sagte ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel beim Presseevent. Die Immobilienertragssteuer aus 2012, die Wohnrechtsnovelle des Jahres 2015 und die fehlende Indexierung der Richtwertmieten durch das MILG II (2. Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz) würden schwer auf der Branche lasten und hätten den Neubau-Motor bereits deutlich ins Stottern gebracht. Die Steuerreform der Jahre 2015 und 2016 sei eine zusätzliche Bremse gewesen. Bewegung brächten laut Holzapfel Änderungen im Bereich der Sonderabschreibungen. Die Verkürzung des Vorsteuerberichtigungszeitraumes von zwanzig auf zehn Jahre würde sich in höheren Vermietungsraten niederschlagen. Diskutieren will der ÖVI auch über steuerfreie Rücklage für thermische Sanierungen und energetisch-nachhaltige Bauprojekte.

Weniger Administration, Entrümpelung von Regeln und Richtlinien

Der Mangel an verfügbarem, leistbarem Wohnimmobilien sei auch eng mit den überbordenden Baugesetzen und neuen OIB‐Richtlinien verknüpft, betonte ÖVI-Bauträgersprecher Klaus Wolfinger. Das Hochschrauben technischer Standards schlage sich ganz direkt auf die Wohnkosten nieder. „Die musterknabenhafte Übererfüllung von internationalen Verpflichtungen hat in Österreich eine lange und teure Tradition.“ Die Amerikanisierung des österreichischen Haftungsrechts und die Tendenz zur Vollkaskomentalität blieben nicht ohne die bekannten negativen Auswirkungen. Auch der wachsende administrative Dokumentationsaufwand ist ihm ein Dorn im Auge. „Die Frage muss lauten: Wem nützt das Ganze. Eines ist klar: Die Qualität des Wohnens wird in den seltensten Fällen gehoben.“

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Datum: 30.11.2017

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